Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 41.1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.10703#0060
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Hardenberg, Kuno Ferdinand von: Menschentypen und Wohnen
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40 INNEN-DEKOR ATION
LÄSZLÖ-STOFFE UND TAPETEN«. AUSFÜHRUNG: VER.' WERKSTÄTTEN A.G. UND FLAMMERSHEIM & STEINMANN
MENSCHENTYPEN UND WOHNEN
Leute, die etwas vorzustellen wünschen oder ge-
/ zwungen sind, eine bestimmte Rolle zu spielen,
pflegen sich ein »Wohnungs-Umbild« zu
schaffen, das sich als eine Art von »Schaubühne«
darstellt. . Derartige Umbilder zeitigte vor allem
das Rokoko. . Der »Rokoko-Mensch« war
wesentlich »gesellschaftlich repräsentativ« einge-
stellt. Das Rokokoschloß mit seinen langen Salon-
Suiten und dem Paradebett im Schlafzimmer wird
unserem heutigen Empfinden nur begreiflich, wenn
wir es uns als Schauplatz für gesellschaftliche
Staats-Aktionen von eleganten Akteurs inmitten
einer wohlgeschulten Komparserie vorstellen. . . .
*
Der »Renaissance-Mensch« wird in neuer
Variation immer wiedergeboren werden, wenn
»Vielwissen und historische Bildung« Trumpf
sind. Die Alteren unter uns wissen noch darum.
★
Revolutionen zeitigen zunächst immer einen
»puritanischen« Wohnstil. Ihr Wesen ist: Platz
schaffen für neue Aufbau-Möglichkeiten. Zunächst
schaffen sie eine »Ornamenten-Pause«.. Das »Bie-
dermeier« wuchs logisch als neue Sachlichkeit aus
der erledigten Zopfwelt. . Hat es je ein sachliche-
res Arbeitszimmer gegeben als das von Goethe?
Not macht »Spartaner«: aber auch graue
Theorie, Geiz und Mangel an Phantasie. Es gibt
allerdings auch ein Spartanertum aus lebendiger
Freude am Menschlichen: es will sich nicht durch
überflüssiges Zier- und Beiwerk um die Wirk-
lichkeit menschlichen Lebens bringen lassen. . .
*
Kraft zur Gemeinschaftsbildung steckte im »go-
tischen« Menschen: Sehnsucht nach Gemein-
schaft der Herzen... Es gibt auch einen herb-nüch-
ternen, mathematischen Gemeinschafts-Geist! . .
*
Der Wohnstil: wer arbeitet wesentlich an
ihm, gibt ihm sein Gepräge? Klima und Land-
schaft, Sitte des Volkstums, Gestaltungswille des
Zeitgeistes, Gesetze biologischer Wohn-Unent-
behrlichkeiten und Wohnungs-Einteilungen for-
men ihn im Kern. . Das »Einzel-Individuum« hat
dabei meist nur im Ausformen des Beiwerks mit-
zureden. In den meisten Fällen wird es sich daher
in seinen Wohnbedürfnissen befriedigt fühlen,
wenn ihm eine biologisch gesund gestaltete »Nor-
mal-Wohnungstype« geboten wird. Unsere Sied-
lungs-Architekten sind im Grunde garnicht so
grausam, wie manche Individualitäts-Duseler von
gestern behaupten. . . . kuno graf von Hardenberg.
LÄSZLÖ-STOFFE UND TAPETEN«. AUSFÜHRUNG: VER.' WERKSTÄTTEN A.G. UND FLAMMERSHEIM & STEINMANN
MENSCHENTYPEN UND WOHNEN
Leute, die etwas vorzustellen wünschen oder ge-
/ zwungen sind, eine bestimmte Rolle zu spielen,
pflegen sich ein »Wohnungs-Umbild« zu
schaffen, das sich als eine Art von »Schaubühne«
darstellt. . Derartige Umbilder zeitigte vor allem
das Rokoko. . Der »Rokoko-Mensch« war
wesentlich »gesellschaftlich repräsentativ« einge-
stellt. Das Rokokoschloß mit seinen langen Salon-
Suiten und dem Paradebett im Schlafzimmer wird
unserem heutigen Empfinden nur begreiflich, wenn
wir es uns als Schauplatz für gesellschaftliche
Staats-Aktionen von eleganten Akteurs inmitten
einer wohlgeschulten Komparserie vorstellen. . . .
*
Der »Renaissance-Mensch« wird in neuer
Variation immer wiedergeboren werden, wenn
»Vielwissen und historische Bildung« Trumpf
sind. Die Alteren unter uns wissen noch darum.
★
Revolutionen zeitigen zunächst immer einen
»puritanischen« Wohnstil. Ihr Wesen ist: Platz
schaffen für neue Aufbau-Möglichkeiten. Zunächst
schaffen sie eine »Ornamenten-Pause«.. Das »Bie-
dermeier« wuchs logisch als neue Sachlichkeit aus
der erledigten Zopfwelt. . Hat es je ein sachliche-
res Arbeitszimmer gegeben als das von Goethe?
Not macht »Spartaner«: aber auch graue
Theorie, Geiz und Mangel an Phantasie. Es gibt
allerdings auch ein Spartanertum aus lebendiger
Freude am Menschlichen: es will sich nicht durch
überflüssiges Zier- und Beiwerk um die Wirk-
lichkeit menschlichen Lebens bringen lassen. . .
*
Kraft zur Gemeinschaftsbildung steckte im »go-
tischen« Menschen: Sehnsucht nach Gemein-
schaft der Herzen... Es gibt auch einen herb-nüch-
ternen, mathematischen Gemeinschafts-Geist! . .
*
Der Wohnstil: wer arbeitet wesentlich an
ihm, gibt ihm sein Gepräge? Klima und Land-
schaft, Sitte des Volkstums, Gestaltungswille des
Zeitgeistes, Gesetze biologischer Wohn-Unent-
behrlichkeiten und Wohnungs-Einteilungen for-
men ihn im Kern. . Das »Einzel-Individuum« hat
dabei meist nur im Ausformen des Beiwerks mit-
zureden. In den meisten Fällen wird es sich daher
in seinen Wohnbedürfnissen befriedigt fühlen,
wenn ihm eine biologisch gesund gestaltete »Nor-
mal-Wohnungstype« geboten wird. Unsere Sied-
lungs-Architekten sind im Grunde garnicht so
grausam, wie manche Individualitäts-Duseler von
gestern behaupten. . . . kuno graf von Hardenberg.