Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 41.1930
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https://doi.org/10.11588/diglit.10703#0166
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Kuntze, Friedrich: Vom Schauen und Tasten
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INNEN-DEKORATION
ARCHITEKT MICHAEL RACHLIS-BERLIN KAMIN-ECKE IM HERRENZIMMER. HAUS Z.
VOM SCHAUEN UND TASTEN
Betrachten wir den optischen Sinn zunächst die Dinge im allgemeinen nicht uro ihrer selbst
als einen rein aufnehmenden, so ist es klar, willen, sondern um der »Bezüge« willen, die sie
daß er unendlich viel aufnahmefähiger ist als der zu unserem Wohl oder Weh haben. . Die Haptik
Tastsinn. Das Erlebnis, das der Tastsinn von den ist darum Trägerin der »Weltangst«. . Zur freien
Objekten vermitteln mag, das Abtasten, kaDn auch Schau: zur optischen Einstellung gegenüber den
er leisten, aber welche Fülle anderer, dem Tast- Dingen bringen es in diesem Leben nur wenige,
sinne versagter Qualitäten birgt er noch in sich! und auch die nur für eine bevorzugte Zeit. . . .
Der optische Sinn ist auch nach einer neuen *
Dimension hin reicher. Wenn ich einen Die »Form« tritt erst auf, sobald wir vom
Torso als Blinder abtaste, so ist besten Falles eine haptischen in das optische Gebiet eintreten, —
gewisse Vorstellung des Torsos da; das Auge da- vom Tastsinn in den Sinn des Aug es.. Wir haben
gegen »interpoliert«: es sieht in dem Torso das eine haptische oder optische Ethik, Ästhetik,
Bildwerk.. Realität ist ungleich mehr da in der Logik; es gibt einen haptischen und einen op-
Optik als in der Haptik. Haptik geht nur auf tischen Stil der Lebenshaltung. . Das Haptische
das Leibnahe, erfaßt Dinge und Vorgänge nur nach ist nicht produktiv, das Haptische »mißt«. Das
demjenigen, was sie aus uns oder was wir aus ihnen Optische dagegen ist produktiv, es setzt die
machen können. Optik dagegen will Objekte sta- Spontaneität unseres Geistes in Freiheit. Das
tuieren, geht auf die Objekt-Bewußtheit, auf das Haptische ist qualitativ ärmer als das Optische,
willensfreie »Schauen« der Objekte. . Unter- es ist sozusagen um eine Dimension ärmer. . . .
scheiden wir an einem Objekte seine Stofflichkeit ★
und seine Form, so geht die Stofflichkeit in das Alles »metrische« Erfassen fügt additiv »wert-
haptische Bewußtsein ein, während die Form von freie« Teile zusammen; alles »tektonische« Er-
dem optischen Bewußtsein aufgenommen wird, fassen gliedert organisch »wertbetonte« Teile.
Das Maß dessen, was wir mit den Dingen Das Organ, auf dem die haptische Metrik fußt, ist
machen können, ist begrenzt. Das Maß dessen, der Tastsinn: ihr Instrument der starre Maßstab. .
was die Dinge mit uns machen können, ist schier In der Tektonik aber gehen wir von der Aneinan-
unbegrenzt. Wir konstatieren im täglichen Leben derfügung zur Anordnung über, vom Aggregat
INNEN-DEKORATION
ARCHITEKT MICHAEL RACHLIS-BERLIN KAMIN-ECKE IM HERRENZIMMER. HAUS Z.
VOM SCHAUEN UND TASTEN
Betrachten wir den optischen Sinn zunächst die Dinge im allgemeinen nicht uro ihrer selbst
als einen rein aufnehmenden, so ist es klar, willen, sondern um der »Bezüge« willen, die sie
daß er unendlich viel aufnahmefähiger ist als der zu unserem Wohl oder Weh haben. . Die Haptik
Tastsinn. Das Erlebnis, das der Tastsinn von den ist darum Trägerin der »Weltangst«. . Zur freien
Objekten vermitteln mag, das Abtasten, kaDn auch Schau: zur optischen Einstellung gegenüber den
er leisten, aber welche Fülle anderer, dem Tast- Dingen bringen es in diesem Leben nur wenige,
sinne versagter Qualitäten birgt er noch in sich! und auch die nur für eine bevorzugte Zeit. . . .
Der optische Sinn ist auch nach einer neuen *
Dimension hin reicher. Wenn ich einen Die »Form« tritt erst auf, sobald wir vom
Torso als Blinder abtaste, so ist besten Falles eine haptischen in das optische Gebiet eintreten, —
gewisse Vorstellung des Torsos da; das Auge da- vom Tastsinn in den Sinn des Aug es.. Wir haben
gegen »interpoliert«: es sieht in dem Torso das eine haptische oder optische Ethik, Ästhetik,
Bildwerk.. Realität ist ungleich mehr da in der Logik; es gibt einen haptischen und einen op-
Optik als in der Haptik. Haptik geht nur auf tischen Stil der Lebenshaltung. . Das Haptische
das Leibnahe, erfaßt Dinge und Vorgänge nur nach ist nicht produktiv, das Haptische »mißt«. Das
demjenigen, was sie aus uns oder was wir aus ihnen Optische dagegen ist produktiv, es setzt die
machen können. Optik dagegen will Objekte sta- Spontaneität unseres Geistes in Freiheit. Das
tuieren, geht auf die Objekt-Bewußtheit, auf das Haptische ist qualitativ ärmer als das Optische,
willensfreie »Schauen« der Objekte. . Unter- es ist sozusagen um eine Dimension ärmer. . . .
scheiden wir an einem Objekte seine Stofflichkeit ★
und seine Form, so geht die Stofflichkeit in das Alles »metrische« Erfassen fügt additiv »wert-
haptische Bewußtsein ein, während die Form von freie« Teile zusammen; alles »tektonische« Er-
dem optischen Bewußtsein aufgenommen wird, fassen gliedert organisch »wertbetonte« Teile.
Das Maß dessen, was wir mit den Dingen Das Organ, auf dem die haptische Metrik fußt, ist
machen können, ist begrenzt. Das Maß dessen, der Tastsinn: ihr Instrument der starre Maßstab. .
was die Dinge mit uns machen können, ist schier In der Tektonik aber gehen wir von der Aneinan-
unbegrenzt. Wir konstatieren im täglichen Leben derfügung zur Anordnung über, vom Aggregat