Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 41.1930
Cite this page
Please cite this page by using the following URL/DOI:
https://doi.org/10.11588/diglit.10703#0293
DOI article:
Geyer-Raack, Ruth Hildegard: "Das schöne Fenster"
DOI Page / Citation link: https://doi.org/10.11588/diglit.10703#0293
INNEN-DEKORATION
ARCHITEKT KARL BERTSCH-BERLIN »STILLEBEN AM FENSTER«. TÜLLVORHANG
»DAS SCHONE FENSTER«
ÜBER WERT UND WIRKUNG NEUZEITLICHER GARDINEN
\V/ie in ewigem Kreislauf Sonne und Mond wech- manchmal gläsernen Wänden, seinen angefügten
Wselnd unsere Welt mit ihrem Licht bescheinen, Dachgärten, Baikonen, Freisitzen, Veranden wird
leuchten wechselnd in den Wohnräumen, die un- der Blick der Bewohner gleichsam ins Freie hinaus-
serer Tage Tun umfassen, das Licht des Tages und gezogen, die Landschaft, die Straße und die Um-
das Licht unserer Lampen. Draußen im Freien gebung in den Raum hineingezogen. . Gemessen
taucht alles erfassender Lichtschein die Welt in an solchen Gestaltungs-Gesetzen für den heutigen
eine gleichmäßige Atmosphäre von Helligkeit. Raum, eingestellt auf die Bedürfnisse des heutigen
Wir aber haben es in der Hand, das durch unsere Menschen mit seinem Licht-und Lufthunger, scheint
Fenster eindringende Licht nach unserem Ermes- die Bedeutung des Fensters eine besondere »Wand-
sen den Räumen zuzuführen: abgedämpft, oder in hing» durchgemacht zu haben. Sein Zweck scheint
voller Stärke, durch jeweilig wechselnde, große ein rein funktioneller geworden zu sein, eben nur
und kleine, verschiedenartig gestaltete Fenster, der, unseren danach verlangenden Sinnen soviel
Unser heutiges Bauen gibt in immer mehr sich Licht und Luft zuzuführen wie nur möglich,
klärenden Formen neue Gesetze für die Gestaltung Nach Fragen wie dieser: »Was soll da unseren
unserer Räume. Der Innenraum hat eine andere hellen, der Möbel entleerten, blitzblank und
Bedeutung bekommen. Er soll uns nicht mehr als zweckmäßig eingerichteten Räumen ein Fenster-
eine Welt abgeschlossenen, versunkenen Halb- Arrangement?« werden Thesen aufgestellt, die
dunkels umfangen. Der Raum wird vielfach seiner jeden Stoff am Fenster verpönen. Und doch er-
Möbel entleert, die hellen Töne der Wände weiten gibt sich gerade hier das Fragwürdige solcher rein
ihn. In diesem Raum mit seinen großen Fenster- dogmatischaufgestelltenGestaltungs-Gesetze. Das
Öffnungen, die weite Ausblicke geben, mit seinen Funktionelle ist an sich in diesem Falle noch nicht
1930. VII. 3.
ARCHITEKT KARL BERTSCH-BERLIN »STILLEBEN AM FENSTER«. TÜLLVORHANG
»DAS SCHONE FENSTER«
ÜBER WERT UND WIRKUNG NEUZEITLICHER GARDINEN
\V/ie in ewigem Kreislauf Sonne und Mond wech- manchmal gläsernen Wänden, seinen angefügten
Wselnd unsere Welt mit ihrem Licht bescheinen, Dachgärten, Baikonen, Freisitzen, Veranden wird
leuchten wechselnd in den Wohnräumen, die un- der Blick der Bewohner gleichsam ins Freie hinaus-
serer Tage Tun umfassen, das Licht des Tages und gezogen, die Landschaft, die Straße und die Um-
das Licht unserer Lampen. Draußen im Freien gebung in den Raum hineingezogen. . Gemessen
taucht alles erfassender Lichtschein die Welt in an solchen Gestaltungs-Gesetzen für den heutigen
eine gleichmäßige Atmosphäre von Helligkeit. Raum, eingestellt auf die Bedürfnisse des heutigen
Wir aber haben es in der Hand, das durch unsere Menschen mit seinem Licht-und Lufthunger, scheint
Fenster eindringende Licht nach unserem Ermes- die Bedeutung des Fensters eine besondere »Wand-
sen den Räumen zuzuführen: abgedämpft, oder in hing» durchgemacht zu haben. Sein Zweck scheint
voller Stärke, durch jeweilig wechselnde, große ein rein funktioneller geworden zu sein, eben nur
und kleine, verschiedenartig gestaltete Fenster, der, unseren danach verlangenden Sinnen soviel
Unser heutiges Bauen gibt in immer mehr sich Licht und Luft zuzuführen wie nur möglich,
klärenden Formen neue Gesetze für die Gestaltung Nach Fragen wie dieser: »Was soll da unseren
unserer Räume. Der Innenraum hat eine andere hellen, der Möbel entleerten, blitzblank und
Bedeutung bekommen. Er soll uns nicht mehr als zweckmäßig eingerichteten Räumen ein Fenster-
eine Welt abgeschlossenen, versunkenen Halb- Arrangement?« werden Thesen aufgestellt, die
dunkels umfangen. Der Raum wird vielfach seiner jeden Stoff am Fenster verpönen. Und doch er-
Möbel entleert, die hellen Töne der Wände weiten gibt sich gerade hier das Fragwürdige solcher rein
ihn. In diesem Raum mit seinen großen Fenster- dogmatischaufgestelltenGestaltungs-Gesetze. Das
Öffnungen, die weite Ausblicke geben, mit seinen Funktionelle ist an sich in diesem Falle noch nicht
1930. VII. 3.