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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 41.1930

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Ritter, Heinrich: Motorische Psychologie
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https://doi.org/10.11588/diglit.10703#0379

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INNEN-DEKORATION

359

ARCHITEKT BERNHARD PFAU-DÜSSELDORF KINDERZIMMER IM HAUS L. IN DÜSSELDORF

»MOTORISCHE PSYCHOLOGIE«

Bei der modernen Formulierung der »Zweck-
frage im Wohnraum« kommt oft etwas zu
kurz, was man die »motorische Psychologie«
nennen könnte. . . Man sitzt etwa vor seinem
Schreibtisch, entwirft einen schwierigen Brief. An
einem bestimmten Punkt geht es nicht weiter. Was
tut man? Man greift zu dem uralten, wunderbaren
Mittel, den geistigen Apparat wieder in Gang zu
setzen: man setzt sich selbst in Gang, geht im
Zimmer hin und her. . Was folgt daraus? Daß man
zum Schreiben nicht nur das braucht, was man zum
Schreiben braucht, also Tisch, Stuhl, Bücher in
Reichnähe, Atemluft, sondern auch: »Bewe-
gungsfeld«. Und zwar ausgiebig bemessenes
Bewegungsfeld. . Mag es nun mit der Schritt-
länge, mit der Körpergröße oder mit dem inneren
Lebensrhythmus zusammenhängen, jedenfalls kann
man beobachten, daß eine bestimmte »Minimal-
reihe« von Schritten (etwa 6—8 in einer Rich-
tung) nötig ist, um den erwähnten Dienst zu leisten.

Was folgt daraus? Daß heute in manchen Krei-
sen das Streben nach äußerster »Raum-Erspar-
nis« im Wohn- und Arbeitsraum viel zu weit
geht! Der Mensch ist nicht ein Akkumulator, der
eine bestimmte Zahl von Energie-Einheiten besitzt
und genau um so viele dieser Einheiten ärmer
wird, als er verausgabt, sondern er gewinnt durch
angemessene Betätigung, Bewegung an Kraft. .

Ein altes Sprichwort sagt: »Was man nicht im
Kopf hat, muß man in den Beinen haben«. Bei
richtiger Überlegung und Einteilung kann man sich
manche Wege sparen.. Aber auch die Umkehrung
ist richtig: »Was man nicht in den Beinen hat,
muß man im Kopfe haben«. . Das bedeutet hier:
Einschränkung der Bewegung durch zu kleine
Abmessungen fuhrt zu stärkerer Beanspruchung
der geistigen, der Nervenkraft — verbraucht
also im Enderfolg höhere und kostbarere Energie
als das entspannende, Ausarbeitung spendende
Gehen und freie Sich-Bewegen-Können. . h. r.
 
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