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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 41.1930

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Ritter, Heinrich: Erneuerung und Erkenntnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.10703#0484

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464

INNEN-DEKORATION

PROFESSOR PAUL GRIESSER-BIELEFELD SPEISEZIMMER. AHORNHOLZ. WOHNUNG D.

ERNEUERUNG UND ERKENNTNIS

Es ist in der Geschichte ein häufiges Vorkomm-
nis, daß neu auftretende geschichtliche Kräfte
oder Tendenzen zu maßlos, zu unbedingt und end-
gültig genommen werden. Als in den neunziger
Jahren der Blick auf die moderne Lebenswirklich-
keit erwachte, verkündigte man das Ende des
Theaters. Als die Naturwissenschaft des 19. Jahr-
hunderts ihr Weltbild aufgestellt hatte, hielten
Viele das Ende der religiösen Betrachtungsweise
für gekommen. . Heute hat sich wieder der Sinn
für das reale Leben, der Sinn für den einheitlichen
Menschen und das technische Ding so verstärkt,
daß man der Kunst und der künstlerischen Fas-
sungsweise ein Mißtrauen entgegenbringt, wie es
in dieser grundsätzlichen Art noch kaum da war.

Auch der Wohnraum ist ein Feld, auf dem die-
ser Kampf ausgetragen wird, in dem von Anhängern
und von Gegnern des Neuen gleicherweise das
Maß überschritten wird. Und zwar meinen wir
hier viel weniger die faktischen Leistungen als
die Gesinnungen, die Programme. . Die moderne
Wohnkunst hat Leistungen aufzuweisen, die ge-

diegen, kernhaft und vorwärtsweisend und auch
für jedes erzogene Urteil überzeugend sind. Was
wird aber von Anhängern und Gegnern aus den
in diesen Gestaltungen wirksamen Tendenzen ge-
macht? Die Gegner reden vor jeder technizisti-
schen Bauform, vor jedem Stahlmöbel von »Kultur-
bolschewismus«, von einem Herausbrechen aus
der Sphäre der Menschlichkeit. Sie können diese
neuen Tendenzen nicht als geschichtliche Kräfte
verstehen, die einen bestimmten, legitimen Auftrag
zu erfüllen haben. Sie geben ihnen ein radikales,
unmenschliches Endziel und bekämpfen sie dann
mit Erbitterung.. Demselben Fehler begegnet man
aber auch bei den Anhängern. Von wie viel ex-
tremen, »endzeitlichen« Betrachtungen sind die
Erörterungen über Kunst, Dichtung, Kultur der
Gegenwart erfüllt! Die Maschine wird zum »Gott
der neuen Zeit« erhoben, der uralte Gegensatz im
Menschen zwischen Geist und Leben wird als an-
tiquiert und auf der Ebene der modernen Psycho-
logie als aufhebbar erklärt, man will dem Menschen
nur noch die Technik als die einzige würdige Be-
 
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