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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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"Herrschaftliches" Wohnen
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0068

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INNEN-DEKORATION

»SCHLAFZIMMER DES HERRN« WOHNUNG DR. R.

KURBAR1LL-HOLZ, SCHWEINSLEDER -TÜR

geistigen - hier psychologischen - erst ansetzen -
auch dies also eines der Mittel, den Bewohner stärker
zum Bewußtsein seiner selbst zu führen.

Es wäre noch von der Bewegungsführung, der
eigentlichen »Wegführung« durch den Raum, durch
die Räume, zu sprechen, wie sie durch Anbringung
der Türen, durch Freihaltung der Wandflächen, durch
den Gesamtgrundriß der Wohnung usw. bedingt wird,
vom Dienst der kleinen Dinge wie Türklinken und
Fensterverschlüsse, von Anbringung der Heizanlagen
und der Durchlüftung und von vielem anderen. Aber
hier soll ja gar nicht von den Elementen der neuen
Wohnung gesprochen werden, sondern von ihrer
Wirkung. Und die ist eindeutig darauf gerichtet, den
Menschen zum Genuß seines Selbst zu bringen, alles
Gegenständliche seiner Umgebung in Dienstbereit-
schaft ihm zu unterordnen.

Das ist es, was uns das Leben in solchen modernen
Wohnungen so erfreulich gestaltet: wir fühlen uns
nicht mehr bedrückt von den Dingen, sondern frei
über sie verfügend. Der Mensch gelangt wieder zu
einem Herrschergefühl über die Welt, während er in
der alten Wohnung durch all die Ansprüche der
Dinge, durch die ihm nicht angemessene Proportio-
nierung der Räume usw. zum leidlich geduldeten Die-

ner einer anspruchsvollen Herrschaft degradiert war.

Die Menschen der Renaissancezeit mögen ein ähn-
liches Glücksgefühl verspürt haben, als ihre Archi-
tekten ihnen Säle bauten, die menschlicher Propor-
tion sich anschmiegten gegenüber den übermensch-
lichen des Mittelalters. Aber die Renaissance umstellte
sich bald mit allzuviel »Abbild« eben dieses Mensch-
lichen, so daß schließlich der Mensch selbst darunter
versank. Und gerade in dieser Überhäufung der Re-
naissance-Atmosphäre schloß im 19. Jahrhundert die
»neue Renaissance« an, die dann zu den Wohnungs-
ungeheuern führte, von denen wir eingangs sprachen.
Das barocke Lebensgefühl brachte erstmalig die Un-
terwerfung alles »Außen« unter die Herrschaft des
souveränen Menschen. Barocke Schlösser und Gar-
tenanlagen sind grandiose Unternehmungen der Ar-
chitekten, den ganzen Bau, ja auch den Außen-
raum so zu organisieren, daß alles auf die Perspektive
des Menschen zugerichtet, alles zur Steigerung seines
Selbstgefühls untertänig gehalten wurde. Wer je mit
lebendigem Empfinden eine Freitreppe des Barock
hinabgestiegen ist, hat sicher dies Hauptanliegen
aller Barockbaukunst vernommen.

Ist unser neues Bauen also dem Barockgefühl ver-
wandt? Nur einer seiner Seiten: dieser Steigerung des
 
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