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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Das Haus in der Landschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0193

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DAS HAUS IN DER LANDSCHAFT

ir wissen es alle: in der notwendigen Vermäh-
lung des modernen Hauses mit seiner land-
schaftlichen Umgebung hat die neue Baukunst noch
ein dringliches Problem offengelassen. Gewiß: in man-
chen Gegenden stehen diese weißen, scharf kubisch
geschnittenen Häuser prachtvoll in der Landschaft.
Überall da, wo die Landschaft selbst auf diesen kubi-
schen Stil hindrängt. In vielen anderen Landstrichen
unseres Vaterlandes aber will sich die neue Form
nicht einfügen, oder richtiger: viele andere Land-
schaften nehmen diese neue Form einfach nicht auf,
inmitten ihrer zu ganz anderem »Stil« hintreibenden
Kuppen und Wälder und Ackerstriche und Hänge
steht das neue Haus wie ein Fremdkörper. Diese Ver-
mählung des Hauses mit der Landschaft ist aber
sicher eine der wichtigsten Fragen einer gesunden,
das heißt: ihrem Boden gemäßen Baukunst.

Wie ist diese Frage zu lösen? Selbstverständlich
denken wir hier nur an die gute und echte moderne
Bauweise, nicht an jene Modernismen, die nur
Äußerlichkeiten übernommen und übertrieben, den
zu ihnen führenden Sinn aber überhaupt nicht ver-
standen haben. Solchen gegenüber muß auch heute
gesagt werden: ». . . daß mit dem flachen Dach die
Schönheit nicht an dem Gebäude erreicht wird, wie
man hier häufig wohl zu glauben geneigt ist und
darin den Hauptfehler der alten Gebäude suchte, der
doch vielmehr in der Anordnung seiner Mauern und
des Plans überhaupt lag.« Diese Worte sprach der
große Schinkel vor mehr als hundert Jahren (an-
läßlich seines Projektes für das neue Schauspielhaus
in Berlin). Man ist betroffen über die Aktualität seiner
Worte, denen man nichts hinzuzufügen braucht.
Aber ganz gewiß hätte derselbe Schinkel, der Vor-
kämpfer einer gesunden Moderne in seiner Zeit, auch
eine gewisse Umkehrung seiner Worte unterschrie-
ben, die nämlich, daß mit dem Aufsetzen eines Steil-
daches auf den zugrundeliegenden Kubus allein die
Schönheit an dem Gebäude nicht erreicht wird. So
ein Steildach - wie herrlich schön grüßen sie uns in
unseren alten Städten und auch draußen auf dem
Land - muß mit seinem Hausleib zusammen erwach-
sen sein, beide müssen der gleichen Formwurzel ent-
sprossen, der gleichen Gesamtgestalt zugerichtet sein.
Einem aus Zweck- und Gefühlsbedürfnissen von
innen heraus gewachsenen Haus, dem nach außen
notwendig die Form des Kubus entspricht, kann nicht
nachträglich irgendein »Stildach« von Anno 1580
übergestülpt werden. Das ist ein Unding. Das schwer-
ste aber ist es, ein modernes Haus von Anbeginn an
auf Steildach zu komponieren. Denn wir haben es ja
ganz verlernt, Hausleib und Dach in die richtige Pro-
portion zueinander zu setzen. Ja wirklich: da steckt
das Problem: Wir Heutigen können gar nicht mehr

1934. V. 4

»anständige Dächer« komponieren. Woran es liegt?
Vielleicht hat die Stadt des 19. Jahrhunderts, die
eigentlich nur aus »Fassade« bestand, uns das Emp-
finden für organisches Zusammen von Hauskörper
und Dach genommen. Das Dach war wirklich zum
»Deckel« geworden, seine künstlerische Funktion, die
es früher in so hohem Grade hatte, dorrte ab. Das
dachlose Haus von heute ist also keineswegs nur als
»Marotte« einiger »bolschewistischer« Bauleute von
heute zu werten. Es ist ebenso Not unserer Zeit - die
das eigentliche Dach nicht mehr empfinden und dar-
um auch nicht mehr gestalten kann -, wie auch
Tugend unserer Zeit - die nur das empfindungsge-
mäß Gegebene, den Innenraum umhüllen zu lassen
sich bescheidet.

Wo also ansetzen, wenn nun einmal dies ehrliche
Produkt unserer heutigen Lage in manche unserer
Landschaften sich nicht einfügt? Nur kein Zurück!
Das wäre der Tod alles gesunden Lebens. Ein lang-
sames Vorwärtstasten ist notwendig. Das Dach muß
in solcher Landschaft allmählich wieder sich ent-
wickeln. Es muß aus den Bedürfnissen des Hauses,
den zwecklichen und den formalen, langsam einer
Form zureifen, die in der Landschaft schon schlum-
mert. Geduldiges Hinhorchen auf den Atem der
Landschaft und ebenso geduldiges Pflegen aller la-
tenten Formmöglichkeiten des neuen Hauses - das
allein kann hier eine Lösung bringen, die uns not tut.
Nur um Gottes willen keine weltanschaulichen
Schlagworte, durch die feindliche Lager aufgerichtet
werden! Die geeinte Volkskraft muß an diesem Pro-
blem angesetzt werden - wie an so vielen anderen,
ohne Mißtrauen und Verlästerung. Dann wird unser
modernes Haus auch wieder in solche Landschaft ein-
wachsen, die heute sich ihm noch verschließt. — Dr.r.r.



DER GRUNDRISS ist die Seele des Hauses, sie
spiegelt Bauherrn und Architekten. Die Archi-
tektur des Hauses entkeimt dem Grundriß. Der Grund-
riß verrät Stil und Können des Architekten. Die
Außenarchitektur darf sich nur auf dem Grundriß
aufbauen, und die Kunst des Architekten erweist sich
nur dann, wenn die Zweckmäßigkeit und Selbstver-
ständlichkeit des Grundrisses in den Fassaden so zum
Ausdruck kommen, daß der Organismus der Innen-
räume im Rhythmus der Außenarchitektur ungequält,
selbstverständlich und sympathisch in Erscheinung
tritt. Grundriß und Außenarchitektur aller Stile sind
bedingt durch die technischen Möglichkeiten ihrer Zeit.
Horizontale, Vertikale und Gliederung bestimmen die
Architektur. Ganz große Architekten früherer Epo-
chen haben unvergängliche Bauwerke mit den ein-
fachsten Mitteln erzielt. Wer nur durch Schmuck
Wirkung erzielt, ist ein Stümper. — f. a:breuhaus
 
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