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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Herrmann, Trude: Der modernisierte Wetterprophet
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0160

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144

INNEN-DEKOR ATI ON

DER MODERNISIERTE
WETTERPROPHET

Natürlich ist es für
viele Berufe von sehr
großer Wichtigkeit, recht-
zeitig unterrichtet zu sein,
ob, wann und wie das
Wetter sich verändert —
man braucht in diesem
Zusammenhang nur den
Landmann zu erwähnen.
Aber ich glaube, unsere
Wißbegier läßt sich noch
anders deuten. So alt wie
die Menschheit selbst, so
alt ist ihre Sehnsucht, ei-
nen Blick hinter die Wol-
kenschleier der Zukunft
werfen zu können. So er-
fanden die Menschen das
Orakel von Delphi, die
Astrologie, die Patience,
tausenderlei und auch das
- Barometer. Einen Ap-
parat zur Wettervorher-
sage. Einen ? - Nein, sehr
viele, in einer ganzen

Reihe der Entwicklung. — Soweit ich diese aus eigener
Erfahrung verfolgen kann, begann sie mit einem
Konservenglas, in dem —
derWichtigkeit seiner Mis-
sion sich kaum bewußt —
ein Frosch saß. Ein ge-
wöhnlicher, grüner Laub-
frosch. Neben ihm stand
eine kleine Leiter und ihm
zu Häupten spannte sich
ein luftgelöchertes Papier,
das den Frosch davon ab-
halten sollte, sein Glas-
haus zu verlassen. Und je
nachdem - ganz genau
weiß ich es heute nicht
mehr — je nachdem der
Frosch auf die Leiter
kroch oder am Boden
sitzen blieb, konnte man
dann erkennen, ob am
nächsten Tag die Sonne
scheinen würde oder nicht.

Der nächste Apparat
war das »Wetterhäus-
chen«. Ein Häuschen wie
sein Name sagt, braun-
hölzern und nett, mit zwei
Türchen rechts und links,
und zwei Figürchen, be-

barometer« arch. alexander mantel - stuttgart
ausführung : g. luft, g. m. b. h., stuttgart

weglich an einer Achse:
Männlein und Weiblein.
Wurde es schön, kam die
Frau aus der Tür, wurde
es häßlich, der Mann. Wa-
rum und wieso, weiß ich
nicht so genau. Meist
hängte man sich diese
Häuschen wohl auch als
»Schmuck« ins Doppel-
fenster. Als Kind fand ich,
daß sie zu den nettesten
Dingen einer Wohnungs-
einrichtung gehörten.
Ausgesprochen häßlich

— nicht nur mit Kinderau-
gen gesehen - waren aber
jene sehr sachlich-wissen-
schaftlichen Barometer,
bei denen sich eine Nadel
um eine Rundskala be-
wegte. Sie hatten immer
etwas Antiquiertes und —
so paradox es klingen
mag, da sie doch für so
viele Menschen von größ-
ter Wichtigkeit sind —: et-
was Überflüssiges. Und so

verschwanden sie mehr und mehr aus der moder-
nen Wohnung, in die sie ebensowenig passen woll-
ten wie das Froschglas
und das Wetterhaus. Bis
sich endlich irgendein
praktischer Kopf ihrer an-
nahm und sie vorbildlich
der Neuzeit anpaßte:glatt,
schlicht, übersichtlich, und

- ähnlich wie die moder-
nen Schreibtischuhren -
in ein Holzgestell einge-
baut, das dem Mobiliar
angeglichen werden kann.
Und da sie nützlich geblie-
ben und zudem ein wirk-
licher Wandschmuck ge-
worden sind, darf man sie
als Geschenkanregung
verbuchen.trude herrmann

V

»tischlampe« metallkunst franz w1lleke — bielefeld

ON der eigenen Woh-
nung muß die Gesun-
dung unseres Kunstgewis-
sens ausgehen;wer bei der
Kunst nicht mit sich selbst
und seiner Umgebung be-
ginnt, in dessen Mund ist
Kunstbegeisterung nichts
als Phrase. - otto march
 
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