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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Der gute Geist im Wohnraum
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0297

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CARL MÜLLER »ZIMMER DER TOCHTER« HAUS M. WAND GELB, SESSEL ROT, BETT GELB-GRÜN-ROT

DER GUTE GEIST IM WOHNRAUM

enn man ein Zimmer betritt, in dem ein Lächeln
ist ohne viel Getue von Möbeln und Apparat,
dann begreift man im Augenblick, daß das nicht von
den »Sachen« herkommt, die im Raum herumstehen,
sondern von etwas, das zwischen ihnen ist: von der
guten, feinen Beziehung, die die Sachen miteinander
verbindet.

Wir sagen zwar, wenn wir einen solchen Raum be-
schreiben wollen: da steht ein Tisch, ein Sessel, und
die sehen so und so aus — aber den guten Geist im
Raum fassen wir damit nicht. Im Gegenteil, wir spüren,
daß wir ihn mit aller Beschreibung nur zudecken, denn
er schwebt undinglich und seelenhaft in der »leeren
Luft« zwischen den Sachen, als eine Art von stillem
Zauber, der Zuruf und Freundschaft zwischen ihnen
stiftet. Nicht die Tatsache, daß da eine Blattpflanze
steht, ist wichtig, sondern die Art, wie sie sich in den
Fensterwinkel zur Gardine schmiegt, wie sie mit dem
Stuhl, mit dem Bild an der Wand eine Gruppe bildet.

Tisch, Stuhl, Teppich — natürlich, sie sind dinglich
wichtig, wir können ihre Dienste nicht entbehren, aber
in einem glücklich gefügten Raum ist etwas Lebens-
volles zwischen ihnen, das förmlich klingt von gutem
Zusammenstimmen — und das ist das Wertvolle. Unser
deutscher Meister Chodowiecki hat oft auf seinen
Kupferstichen Innenräume gezeichnet, in denen kaum
etwas von Möbeln zu sehen ist; vielleicht nur ein hoch-
beinigesStehpult, ein schüchternesDing von Kommode
oder Schemel. Aber wie fein läutet eine Glockenstimme
sanften, mozartischen Lebens durch diese Räume! Es
ist, als sei die »Leere« ihre Haupttugend, oder vielmehr:
als sei diese »Leere« das Feld, in dem sich die Be-
ziehung zwischen den wenigen Raumdingen erst
richtig auslebt. Und wir merken, wenn wir dem nach-
denken, etwas Bedeutsames: Nicht nur die Dinge, die
im Raum stehen, müssen richtig und dienstfertig sein,
sondern auch der leere Raum zwischen ihnen muß
richtig sein! Es kommt sehr auf gute Form und rechte

1934. IX. 1
 
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