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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Ritter, Heinrich: Das Reich der Kinder
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0094

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78

INNEN-DEKORATION

architekt dott. gherardo bosio-florenz

»kinderspielzimmer« elfenbein und rot

DAS REICH DER KINDER

Wo Kinder spielen, da ist ein Stück erfüllte,
wirkliche Welt. Sei es ein Sandhaufen am
Rand der Stadt, wo sie bauen und Gräben ziehen, sei
es ein Hof in der Großstadt oder eine winzige Ecke im
Wohnzimmer — wo Kinder spielen, da ist die Welt
in Ordnung, da ist sie kolonisiert, da hat das Leben
einen bleibenden Augenblick und eine sinnvolle
Struktur. Kinder führen etwas an Gegenwart mit
sich, jedes Spiel, das Kinder spielen, ist ein Ausschnitt
aus der gültigen, wahrhaften, wirklichen Welt; Frie-
den lagert darum her, durchsonnte, langmütige
Ewigkeit; kein Ungenügen weist über den gegen-
wärtigen Augenblick hinaus, das trockenste Stück
Welt wird zum Garten, wo Blumen siedeln und das
unbedingte Blau des Himmels leuchtet. Wie manches
in den Wohnungen der Menschen ist Schein und Prä-
tension, ist Kunstgewerbe und Selbsttäuschung! Aber
wo ein kleines Mädchen seine Puppe betreut, wo ein
kleiner Junge seine Eisenbahn aufbaut oder mit Blei-

soldaten seine Schlachten schlägt — da ist das Ais-
Ob und das Gespenstische zu Ende, und die fröhliche,
saftige, dichte Wirklichkeit beginnt. Das Spiel der
Kinder hat die Würde der Kunst und den Ernst der
Arbeit, und damit soll gesagt sein, daß in ihm der
vollste Einsatz aller Kräfte des werdenden Menschen
stattfindet. Welcher Erwachsene kann so gesammelt
ernst sein und so bildnerisch bemüht, wie ein ins
Spiel versunkenes Kind ? Dem Künstler gelingt
manchmal dieser Einsatz, und manchmal auch dem
Arbeiter — aber wenn sie in den höchsten Augen-
blicken des inneren Einsatzes über sich nachdenken,
dann werden sie lächelnd innewerden: Ja, so ge-
sammelt und treu war mein Herz vordem in der
Kinderzeit beim Spiel, so süß liefen damals die Stun-
den über mich dahin, jede voll wie eine Traube von
Saft und Sinn. In einer solchen Erinnerung gründet
das Wort, das Schiller einmal niederschrieb: »Der
Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.« h. r.
 
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