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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Hardenberg, Kuno Ferdinand von: Uhren und Spiegel
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0150

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134

INNEN-DEKORATION

PROF. PAUL GRIESSER »GASTZIMMER«

SCHRANK-E1NBAU MIT WASCHNISCHE

UHREN UND SPIEGEL

Uhren und Spiegel galten früher als wichtige Mah-
ner und Erzieher zu würdiger Haltung. Ganze
Zimmerfluchten der Schlösser, die Salons der Pa-
trizierhäuser werden überall von dem einen dekora-
tiven Motiv beherrscht: dem großen Spiegel mit zier-
licher Konsole und auf ihr die unerläßliche, kostbare
Pendule, flankiert von zwei stattlichen Zierleuchtern.
So entsprach es einer kultivierten Prunkliebe jener
Zeit, aber auch einem gesteigerten Zeit- und Persön-
lichkeitsbewußtsein. Der Mensch der Zopfzeit und des
Empire nahm sich, seine äußere Erscheinung und
sein Leben wichtiger, er kleidete sich üppiger und
komplizierter, er pflegte umständlicher Verkehrsfor-
men, es war ihm Pflicht und Tugend, sich einer ge-
nauen Zeiteinteilung zu unterwerfen; Uhr und Spie-
gel waren ihm daher unentbehrlich zur steten Selbst-
überwachung.

Das 20. Jahrhundert mit seiner Herrschaft der
Technik hat einen neuen Menschen geschaffen und
damit auch auf dem Gebiete der Wohnungskultur
neue Ideale gezeitigt. Die Technik brachte dem Haus-
wesen Bequemlichkeit und Vereinfachungen aller Art

und entwickelte einen neuen Luxus des alltäglichen
Bedarfs. Das repräsentative Moment in der Lebens-
führung wich einem Natürlichkeitsideal, und damit
haben auch Spiegel und Uhr ihre einst unbestrittene
Wichtigkeit in der Raumkunst verloren.

Zunächst setzte ein rapider Verfall in ihrer Gestal-
tung ein, und wir haben daher in der Geschichte der
letzten 50 Jahre wahre Monstrositäten von Steh-
uhren und Spiegeln zu verzeichnen. Man mochte sich
einerseits nicht von alten Überlieferungen über ihre
herkömmliche künstlerische Ausbildung trennen und
strebte doch andererseits nach Neuem, ohne für dieses
Neue den wirklichen, zeitgemäßen Ausdruck zu finden.

Erst die moderne Raumkunst hat ganz klar erfaßt,
daß die Uhr für uns ein rein technischer und durch-
aus zuverlässiger Zeitweiser zu sein hat und nichts
anderes, und daß sie dann am vollkommensten ist,
wenn sie ganz Uhr ist, ganz Zweckform im rechten
Material. Wir brauchen weder einen Chronos noch
andere Symbole, um sie uns erfreulich zu machen,
wie wir ja auch unsere Autos nicht mit vergoldeten
Löwen und Drachen dekorieren, mit denen man im
 
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