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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Mayreder, Friedrich: Mensch, Haus und Landschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0164

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INNEN-DEKO RATION

Anschauung ist leicht zu finden. Die alten Bauern-
häuser stehen immer und überall in vollkommener
Harmonie in der Landschaft. Und da diese alten
Bauernhäuser sich in jeder Gegend einer ganz be-
stimmten, festgefügten Formensprache bedienen, lag
der Schluß nahe: eben diese Formensprache sei die
der Landschaft. Daß das nicht ganz richtig sein kann,
lehrt ein Vergleich der Bauernhäuser verschiedener
Gegenden gleichen Grundcharakters. Sie weichen mit-
unter sehr erheblich voneinander ab und zeigen so,
daß sehr verschiedene Ausdrucksmittel sich derselben
Landschaft aufs glücklichste anzupassen vermögen.

Nicht die Landschaft redet in den Häusern, das tut
der Mensch. Und so wie es Sprachen und Mundarten
gibt, so gibt es in jeder Gegend die ihr eigentümliche
Bauweise. Sie folgert nicht aus der Landschaft, son-
dern sie spiegelt die Bedürfnisse der Bewohner, die
ihrerseits wieder tief im Charakter des Landes wurzeln.

Der Grund, warum sich jene alten Häuser aufs
beste mit dem Landschaftsbild vertragen, ist einfach
der, daß ihre Sprache rein und klar ist. Es kann ruhig
behauptet werden: nicht die äußeren Formen, weder
im einzelnen noch im ganzen, lassen ein Landhaus
als Fremdkörper oder als das erscheinen, was man
gelegentlich als »der Landschaft entwachsen« be-

zeichnet. Es kommt auf die reine Gesinnung des Hau-
ses an, wie sie eben bei einem Einzelwesen — und das
ist zuletzt ein Landhaus - viel stärker zur Wirkung
gelangt, als bei einem städtischen Haus, dessen for-
males Eigenleben von den Nachbarhäusern und dem
Stadtganzen verdunkelt wird.

Deshalb ist es unsinnig, bei der Errichtung eines
Landhauses einen sogenannten »ortsüblichen Stil«
zu fordern. Denn ihn gibt es niemals in einer Form,
die ihn unmittelbar auf Bauaufgaben der Gegenwart
anwendbar macht. Das zeigen die solcher Forderung
entsprungenen Ergebnisse erschreckend deutlich. Sie
stellen sich an allen Orten mit fast den gleichen
Walmdächern und Erkerchen dar. Mitunter wurde
aber gar nicht einmal der »ortsübliche Stil«, sondern
ein »Schweizerhaus« verlangt, selbst wenn das Haus
für die Nordsee bestimmt war. Auch für viele geistig
hochstehende und gebildete Zeitgenossen war die
Vorstellung eines Landhauses eben untrennbar mit
flachem Giebel und Laubsägeornamentik verknüpft.
Dieses Allerweltsschweizerhaus zeigt aufs deutlichste,
wie sehr die Vorstellungen von Ortsüblichkeit im
Grunde allerorts die gleichen waren - und wie unzu-
länglich sie gewesen sein müssen.

Bei der Gestaltung von Max Fellerers hier ge-
 
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