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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Ritter, Heinrich: Neue Wohnungen von "Haus und Garten"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0335

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INNEN-DEKORATION

319

»Haus und Garten« lebt. Man kann ihn mit keinem
besseren Wort angeben als mit dem Worte »Mensch-
lichkeit«, genommen im Sinne eines entspannten, in
leichter, geselliger Lebensregung entfalteten Men-
schentums. Es sind günstige Lebensstimmungen, die
sich in der Dingwelt dieser Räume ausspielen. Nir-
gends sind Anzeichen doktrinärer Inbrunst oder einer
Festlegung auf eine starre Stil-Linie. Die Künstler
greifen frei und beweglich nach dem nächsten Mittel,
das im einzelnen Fall zur Hand ist. Sie verschmähen
weder das Strenge noch das Spielende. Sie nehmen
frische, einfache Formen, wie etwa den simplen
Schemel der Bauernstube mit dem vierteilig gefloch-
tenen Sitz, und stellen sie neben hochmoderne Ge-
bilde mit Metallstützen. Der Sessel mit aufgenagelten
Lederbahnen (als Sitz und Lehne), bei dem das Gefüge
anschaulich wird wie bei Behelfsmöbeln, steht neben
dem technisch hochentwickelten Polstermöbel. Die
Abschließungen, die blinden Flächen sind weitgehend
vermieden und durch Stabreihen ersetzt, aber Dok-
trin wird das nicht, sondern wo der geschlossene
Hohlraum nötig wird, da tritt er eben auf. Die For-
men haben alle etwas Selbstverständliches. Sie tragen

sich gleichsam nicht in anspruchsvoller Versamm-
lungsrede vor, sondern plaudernd, unabsichtlich, und
der gute Eindruck, den sie liefern, kommt weniger
aus »Berechnung« als aus einem natürlichen Takt.
Das gibt jeder Einzelheit, mag sie noch so sehr als
einzelnes durchdacht sein, die gewachsene Paßform
zum Nachbarstück und zum Ganzen. Es ist keine
Übertreibung, wenn man sagt, hier werde in Archi-
tektur- und Möbelformen auf eine gute, völlig an-
spruchslose Weise »musiziert«. — Neuzeitliche Wohn-
form wird hier »bürgerlich« und handwerklich, sie
löst sich ab von der individuellen Erfindung, ein fro-
her neuer Werkstättengeist kommt mit ihr einher,
der die technizistische Besessenheit wie die genieße-
rische Geschmacklichkeit weit hinter sich gelassen hat.
Es ist in der Arbeit von »Haus und Garten« etwas, das
man ein Streben zum »Richtigen« oder ein gesichertes
Verhältnis zum Richtigen nennen kann. Der Mensch
als Wohnender ist in dieser Arbeit gut verstanden und
gut bedient. Sie weiß um Maß und Fügung. Sie weiß,
bei aller Angemessenheit an das Neue und Bestimmte
der heutigen Zeit, um das Einfache und Dauernde im
Menschen. Das erklärt ihren Erfolg. Heinrich ritter
 
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