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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Neue Würdigung des Handwerks
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0336

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320

INNEN-DEKORATION

NEUE WÜRDIGUNG DES HANDWERKS

Vor wenig Jahren wiegten wir uns in dem Traum:
Binnen kurzem wird die Industrie imstande sein,
alles was der Mensch braucht, mit wenigen Hebel-
drucken hervorzubringen. Werden Varianten nötig —
etwa wegen der erwünschten Abwechslung -, dann
fügt man noch einige Hebeldrucke hinzu; aber grund-
sätzlich schien nichts im Wege, die Befriedigung des
menschlichen Warenhungers eindeutig auf der in-
dustriellen Linie voranzutreiben. Und zu einem der-
artigen Denken lagen recht gute Gründe vor. Auf den
»Zweck« gesehen, aufs fertige Objekt und Ding ge-
sehen - kein Zweifel, daß alles, was der Mensch
braucht, industriell und maschinell hergestellt wer-
den kann. Die Hohlräume, die Abstell- oder Ablege-
flächen, die Gestelle und Laden im Haushalt sind der
Serienproduktion weithin zugänglich. Aufs »Ding«
gesehen, gibt es da keinerlei Hemmung für die Erzeu-
gung durch Hebeldruck. Aber auf den Menschen ge-
sehen, erhebt sich auf einmal die Mahnung: Die näch-
ste Umgebung des Menschen darf nicht mit Serien-

werk überfremdet werden, weil der Mensch das
seelisch nicht erträgt. Eine gewisse Dosis von Serien-
erzeugnissen kann er um sich dulden. Aber von einem
bestimmten Grad ab wird die Beimengung dieser
Dinge in seiner täglichen Umwelt für ihn unzweck-
mäßig und schädlich. Die Dinge seiner nächsten Um-
gebung müssen eine Verwandtschaft zu ihm als einem
lebendigen, seelenhaften Wesen haben. Es darf nur
soviel an »entseelter« oder nur mittelbar am Seeli-
schen teilhabender Gegenständlichkeit um ihn sein,
als in ihm selber an kalter, entfleischter, leib- und
naturferner Rationalität gegeben ist. Darum haben
betont rationale Menschen oft ausgedehnte und inten-
sive Bestände an seelenlosen oder seelenarmen He-
beldruck-Erzeugnissen um sich, weil sie sich ihnen
verwandt und daher von ihnen angeheimelt fühlen,
ja weil sie sich von ihnen in ihrer eignen, vorwiegend
rationalen Seinsweise unterstützt fühlen.

Das Werk der Hand ist also aus seelischen Gründen
in der Nähe des Menschen nötig. Das Erzeugnis der
 
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