Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Wink für die Gestaltung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0343

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
INNEN-DEKORATION

327

»ESSZIMMER« HAUS A. W.

»HAUS UND GARTEN«

HELL MAHAGONI, SCHWARZES SESSEL-LEDER

WINK FÜR DIE GESTALTUNG

Die künstlerische Gestaltung hat in den letzten
Jahrzehnten unter häufig wechselnden Losungs-
worten gestanden. Wir wissen alle noch, wie kurz-
lebig sie oft waren. Ich ging einmal mit einem nam-
haften Architekten durch ein vornehmes Wohnvier-
tel am Rande einer Großstadt, das er fast allein ge-
baut hatte. Da fuhr er mit der Hand im Kreis herum:
»Das alles würde ich heute ganz anders machen! Kein
einziges Haus genügt mehr meinen heutigen Begrif-
fen. Ich kann das Zeug nicht mehr sehen!« Und dabei
waren die meisten der von ihm erbauten Häuser nicht
älter als fünf Jahre . . .

Was ist daraus zu lernen? Etwa, daß die künstle-
rischen Zeitparolen überhaupt keinen Anspruch auf
Beachtung haben ? - Wohl kaum. Denn in den wech-
selnden Parolen kommen Zeitansprüche und Zeitan-
triebe zum Vorschein, die dem Künstler unentbehr-
lich sind. Er darf sich gegen die Zeit nicht starr ma-
chen. Er kann sein inneres Schicksal nicht von ihrem
Schicksal trennen. »Jeder scheint wohl denken und
wollen zu können, was er mag«, sagt ein Denker

unsrer Tage, »in Wahrheit aber will jeder, der nicht
seinen eignen Untergang anstrebt, das Ort- und Zeit-
gemäße, einfach weil er leben will und es kein Erden-
leben gibt außer in Funktion des Jetzt und Hier.«

Aber zugleich will jeder auch Dauer für sein Werk.
Er will, daß es den Augenblick übersteht und auf
lange Zeit hinaus Geltung behält. Und da bleibt ihm
nicht verborgen, daß sein Werk um so eher veraltet,
je eindeutiger er es nach den Wünschen und Anre-
gungen der Zeit gestaltet hat. Wie oft, wie eindring-
lich haben wir das erlebt! Wie schmählich sahen sich
gewisse Dichter, die der Sprachornamentik des Ex-
pressionismus gehuldigt hatten, von der Zeitgunst
verlassen, als jene Sprachornamentik außer Kurs ge-
riet! Im Bereich des Bauens und namentlich der
Raumgestaltung ging es nicht anders. Und da keine
Zeit leer von »Parolen« ist, stellt sich dem Künstler
immer wieder die Frage: Wie ist in praktischer Arbeit
jener Weg zu finden, der zwischen Zeitgehorsam und
Zeitablehnung hinführt? Wie ist die künstlerische
Arbeit mit der Zeit in jene Fühlung zu setzen, die ihr
 
Annotationen