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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Michel, Wilhelm: Wink für die Gestaltung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0348

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332

INNEN-DEKOR AT ION

»schlafzimmer des herrn« haus a. w.

bodenbelag: silbergrauer velours

das frische Leben des Augenblicks zuführt, und doch
zugleich so dagegen abzugrenzen, daß das Werk nicht
mit diesem Augenblick die Geltung verliert?

Diese Frage kann gelöst werden: Es gilt das Zeit-
haft-Wichtige nicht in seiner modisch-kurzatmigen
Ausprägung zu erfassen, sondern in seinem tieferen
Bestand und in seiner verborgeneren Wirklichkeit.
Es gilt sich fest zu machen gegen das, was bloßes Orna-
ment am Neuen ist, also gegen das, was sich am
buchstäblichsten und am faßlichsten als das »Neue«
empfiehlt und sich in seiner Flüchtigkeit dadurch ver-
rät, daß es ungemein leicht angenommen oder nach-
geahmt werden kann. Das sind für den Schriftsteller
gewisse Modeworte und gewisse Satzführungen, ge-
wisse einprägsame Gestaltungsgriffe und »Werkge-
sinnungen«, die sich heute als Technizismus, morgen
als bodenständige Volkskunst auftun und alle das
Merkmal tragen, daß sie sich sehr deutlich ans Be-
wußtsein wenden. Es kommt demgegenüber alles
darauf an, daß der Künstler sich wohl vom Augen-
blick anreden läßt, aber die Anrede dann sogleich in
die Tiefe seines Wesens hinunternimmt.

Viel hilft es dabei, wenn er sich klarmacht, daß

es etwas Dauernd-Menschliches gibt, auf dessen Maß
alle Neuerungen früher oder später wieder ein-
schwingen müssen. Fast alle Umwälzungen, auch
künstlerischer Art, pflegen die Umstimmbarkeit, die
Umwandelbarkeit des Menschen weit zu überschät-
zen. Sie glauben, mit einer neuen Parole sei auch der
Mensch verändert bis auf den Grund. Aber praktisch
zeigt sich, daß sich das wirkliche Heute des Men-
schen (auf Haus und Wohnung angesehen) mit sei-
nem Gestern und Vorgestern leidlich verträgt.

»Das Gute ist stets das Neue«, sagte Goethe. Er
meinte damit das Neue, sofern es alte Erstarrung, alte
Manier auflöst. Diese Verjüngung ist unentbehrlich.
Sie meint aber nicht das Hereinfallen auf den bloßen
Buchstaben des Neuen, sondern sie meint Erneuerung
des Geistes, Erfrischung des Verfahrens - und das
kann sich mit einem lebensvollen Einbau jenes
Dauernden und Menschlich-Bleibenden sehr gut ver-
binden. Gleichzeitig muß der Künstler erfassen: »Den
Augenblick ergreife, er ist dein!« - und: »Nur wer die
Vergangenheit anerkennt, hat auf Erden Zukunft.«
Das liegt in der Wortprägung auseinander, aber im
gelebten Leben kommt es leicht zusammen. w. m.
 
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