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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Mayreder, Friedrich: Nationale Baukunst?
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0367

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INNEN-DEKORATION

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architekten brinkman und van der vluot haus sonneveld-rotterdam »nordwest-ecke

genossen für die Ablehnung und Mißdeutung vieler
Werke der Gegenwartskunst entscheidend ist. So
puritanisch sie sich auch gibt: auch die ihr eigentüm-
liche Gesamtheit von Gestaltungselementen stellt
mehr vor als ein Bündel Vokabeln, das man immer
und überall ganz nach Gutdünken nur auszupacken
und zu verwenden braucht. Daran ändert nichts, daß
diese Elemente schwerer umschreibbar sind, als die
irgendeines in ornamentaler Hinsicht fruchtbareren
vergangenen Zeitalters. Trotzdem ist auch das Bauen
der Gegenwart wie jede formale Willensäußerung des
Menschen weit tiefer in ihm verankert, als man ge-
wöhnlich glaubt. Somit ist auch das neue Bauen nicht
beliebig erlernbar, noch ohne weiteres willkürlich
von einem Land ins andere zu verpflanzen.

Denn auch dieses neue Bauen ist aus sich heraus
mannigfaltig und wandlungsfähig, auch sein Antlitz
nimmt unter anderem Himmel anderen Ausdruck an.

Steht ein neuerbautes Wohnhaus wie das hier
vorgeführte in enger Nachbarschaft bestehender
Gebäude, wird Einfluß und Wirkung dieses vorge-
fundenen Bestandes auf die gestaltende Kraft des
Architekten in sehr unterschiedlicher Weise fühlbar
werden: eine baukünstlerisch oder historisch bedeu-
tungsvolle Umgebung wird den Schöpfer des Neuen

zu Zurückhaltung und Stille mahnen, die laute Ge-
schwätzigkeit innerlich leerer und trotzdem meist
recht anspruchsvoller älterer Durchschnittsbauten
gibt dem Architekten in formaler Hinsicht freie Hand,
die eigene Sprache zu reden. Denn Unterordnung
unter jene Dutzendarchitektur von vorgestern, die
zudem mit sich selbst beschäftigt ist wie keine an-
dere zuvor, wäre Verrat am besseren Wissen. Es
leuchtet durchaus ein, daß dieses Wohnhaus, an
einen Berghang gestellt, ein Ding der Unmöglichkeit
ist. Denn auch unsere Baukunst braucht nicht starr
zu sein, auch sie weiß dem Einzelfall gerecht zu
werden, ohne sich selbst aufzugeben.

Es kann mit gutem Gewissen behauptet werden:
was hier im Bilde gezeigt wird, kann so und nicht an-
ders allein in Holland entstanden sein, sowenig sich
die Eigentümlichkeiten des Landes in Worten dar-
stellen lassen, sowenig sich auch das Rotterdamer
Haus von den allgemeingültigen Grundlagen des heu-
tigen Bauens entfernt. Friedrich mayreder



DIE KÜNSTE sind das Salz der Erde; wie dieses zu
den Speisen, so verhalten sich jene zur Technik.
Wir nehmen von der Kunst nicht mehr auf, als nur,
daß die Technik nicht abgeschmackt werde, goethe
 
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