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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Wieszner, Georg Gustav: Das Bild an der Wand
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0377

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INNEN-DEKORATION

361

besitzen, und sei es Bach, Beethoven oder
Hindemith, ist grauenvoll. Man hat beim Wech-
seln Gelegenheit, die Bilder auch in qualitativer
Hinsicht zu steigern, mit den Bildern seelisch
in die Tiefe zu gehen. Wenn wir die Romane
unserer Flitterwochenzeit nach zwanzig Jahren
wieder lesen sollten, wir würden lächeln, aber
die Bilder, die uns jene zärtlichen Verwandten
brachten, hängen noch am gleichen Nagel!

Ein Bild, das gut im Raum sitzt, verlangt viel-
leicht bald nach seinesgleichen: braucht kein
Pendant, natürlich, aber einen Spannungsaus-
gleich in Form, Farbe und geistigem Gehalt. Viel-
leicht kann das kleinere Nebenbild das geistig
bedeutendere sein, intimer verflochten die Farben
und Formen, »beschaulicher« zum Anschauen
einladen und aus Schau Weltanschauung ver-
mitteln. Solche Bilder haben schwereren Stand,
als die dem Dekorativen näher liegenden. Um
beim Beispiel zu bleiben: Eine Landschaft Van
Goghs verlangt tieferes Ringen als seine Sonnen-
blumen ; und umgekehrt: ein Spitzweg kann
anekdotisch entzücken, dann langweilen, bis
das Ästhetisch-Formale endlich ganz neue Per-
spektiven der Betrachtungsfreude öffnet.

Während der Periode des Langweilens muß das
Bild von der Wand verschwinden! Und dann
müßte irgendwo ein Schrank stehen, oder wenig-
stens ein Schrankabteil, das wie Bücher - Bilder
enthält, Bilder, die ebenso bereitstehen, wieder
an die Wand zu kommen, wie man ein Buch
wieder zur Hand nimmt, georg Gustav wieszner

schreib- und wascheschrank im gastzimmer

persönliche Beziehung. Das lebt in erster
Linie von dem Bedürfnis nach Deko-
ration. In diesem Sinne waren die Altar-
maler der Gotik, die Wand- und Decken-
maler des Barock »Dekorateure«.

Das dekorative Bild muß als Wunsch-
traum in der Wohnung schon leben, ehe
es gekauft wird. Die leere Wand muß
anfangen zu reden: »Hier würde ich
eine Unterbrechung brauchen, eine neue
Form, eine neue Farbe: ein Gelb, ein
Grün, ein Blau!« Warum wurden Van
Goghs Sonnenblumen so beliebt als
Kunstdrucke? Weil sie leuchtendes
Gelb sind, nicht weil sie Blumen sind!

Und man wechsle die Bilder, solange
man noch labil im Leben steht! Wenig-
stens bei jedem Tapezieren. Man wird
dann erkennen, welche Bilder man nicht
wechseln will, weil man sie braucht!
Man kann ja selbst das beste Buch nicht
dauernd lesen, und der Gedanke, zum
Grammophon nur eine Schallplatte zu

tischwäsche und bestecke im esszimmer (vergl. abb. seite 355)
 
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