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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Bolz, Wilhelm: "Selbstaufhebung des Architekten?"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0396

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380

INNEN-DEKORATION

SELBSTAUFHEBUNG DES ARCHITEKTEN?

Diese Frage in Heft 8 der »Innen-Dekoration«
sollte, so hoffen wir, den weitesten Kreisen Ver-
anlassung geben, über die Probleme der Gegenwart
innerhalb der Baukunst und des Kunstgewerbes
tiefer als bisher nachzudenken. Zunächst muß es ja
scheinen, daß die Dinge wirklich so liegen, wie sie in
den Ausführungen dargestellt sind. Aber es wird doch
ein ganz Wesentliches, gewissermaßen der Kern-
punkt, dabei übersehen. Nämlich: die eigentliche
berufliche Aufgabe des Architekten in der Gegen-
wart, die doch im neuen Deutschland zweifellos von
umfassenderer Bedeutung ist und nicht bloß aus-
schließlich im wirtschaftlichen Denken liegt. Freilich
hat uns das wirtschaftliche Leben in den letzten Jahr-
zehnten durch die zunehmende Industrialisierung,
durch die Fortschritte der Technik, durch die maschi-
nelle Massenerzeugung in den Großbetrieben, einsei-
tig in so ungeheuer starkem Maße in Anspruch ge-
nommen, daß wir alle übersehen haben, daß die frü-
her im Handwerklichen wirksamen schöpferisch ge-
staltenden Kräfte einen ganz anderen Ursprung haben.
Wenn gesagt wird, daß die industriellen Betriebe aus
den Handwerksbetrieben heraus entstanden sind und
dies vielleicht zur Begründung angeführt wird dafür,
daß auch heute noch das Handwerk lebendige Kräfte

in sich trägt, so darf doch nicht übersehen werden,
daß die spekulativen, wirtschaftlich kaufmännischen
Verstandeskräfte immer mehr die gestaltenden und
schöpferischen Kräfte im Menschen zurückdrängten
und verschütteten und dadurch erst die Industriali-
sierung möglich machten. Es ist für unsere Zeit von
einschneidender Bedeutung, zu erkennen, daß der
schöpferische Mensch der Träger des Handwerks ist
und daß das Handwerk in die Industrialisierung
hineinstirbt, wenn die schöpferischen Kräfte nicht
mehr vorhanden sind oder ausgeschaltet werden.
Die individuelle und persönliche Note und Eigenart
der Arbeit ist geradezu der letzte Rest der Selbstän-
digkeit des Handwerkers, und dieser Rest handwerk-
licher Selbständigkeit ist heute untergetaucht in die
nicht einmal mehr rentable Serienherstellung. Das
trifft insbesondere für die Möbeltischlereibetriebe
heute durchaus zu.

Dieser Vorgang, daß der schöpferisch gestaltende
Mensch, sei er Kunsthandwerker oder Architekt,
überflüssig wird, je mehr sich die nach materiellen
Erfolgen strebenden Verstandeskräfte einseitig durch-
setzen, vollzieht sich schon in immer mehr ansteigen-
dem Umfange seit der Mitte des vorigen Jahrhun-
derts und mündete mit dem Beginn unseres Jahrhun-
 
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