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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 45.1934

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Der Blick aus dem Fenster
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https://doi.org/10.11588/diglit.10796#0410

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394

INNEN-DEKO RATION

ARCH. BRÄUN1NG, LEU &DÜRIG- BASEL

»WINTERGARTEN« EINR1CHT.: HANS BUSER

DER BLICK AUS DEM FENSTER

Wir reden von Wohnräumen, wir photographie-
ren sie, und wir beurteilen sie so, als sei das,
was den Raum ausmacht, eben nur die Gesamtheit
der Dinge, die er mit seinen vier Wänden umschließt.
Aber wie wichtig ist das, was durchs Fenster in den
Raum hereinscheint! Wie prägt es das ganze Gefühl
vom Raum, auch wenn der Blick nicht gerade auf
dem Bild verweilt, das im Fensterrahmen steht! Ein
Garten vor dem Haus, Baumwipfel durch alle Jah-
reszeiten hindurch, verschneit im Winter, blühend
und laubschäumend im jungen Jahr - das ist nicht
bloß »Aussicht«, das lebt ständig im Raumgefühl mit
als dessen wichtigster Bestandteil. Steht eine Mauer
nahe draußen, so färbt das ständig die Binnenstim-
mung des Bewohners; es belastet sie mit einem nie
aussetzenden Empfinden des Zurückgestoßenseins -
während der freie Ausblick seelisch wirkt wie leben-
diger Strom von Atemluft, der immer in heiterer Be-
wegung ist. Bis in den Schlaf gehen die auf die Um-

welt draußen bezogenen Empfindungen mit. Man
kann aus diesen Tatsachen abnehmen, daß die Er-
lebniszone des Menschen sich keineswegs beschränkt
auf den Punkt, an dem er gerade verweilt. Als einen
Zusammenhang erlebt er seine Umgebung, zum
Mitschwingen, zum Antwortgeben auf alles ist er ge-
rufen, und was den Wohnraum anlangt, so wird hun-
dertmal eher ein unschöner Innenraum durch ein le-
bensvolles Draußen geheilt als ein ungünstiges Drau-
ßen durch ein gutes Raumgefüge. Dutzende Male den
Tag über wird eine inwendige Stockung im Geist, eine
Trübung im Gemüt geheilt durch den Schritt ans
Fenster, wenn das teure, herrliche Leben selbst in
Gestalt von Natur und Landschaft draußen leuchtet.
Wer kann die wunderbare Lebensspende aussinnen,
die sich da ereignet! Es ist wohl so, daß das Leben in
uns sich wieder erkennt im Leben der Natur draußen
und daß dieses Erkennen uns einen tatsächlichen Zu-
wachs an Stoffen und Antrieben des Lebens bringt.
 
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