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Wagner, Heinrich
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Kreis Büdingen — Darmstadt: Bergstraesser, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.18791#0216

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KREIS BÜDINGEN

pfändete 1652 »Haus, Städtlein und Amt Lissberg« an Herzog Philipp Ludwig
von Schleswig-Holstein, der bis 1664 auf dem Schloss residierte. Seitdem wechselte
mehrfach dessen Pfandbesitz, welchen u. A. 1669—81 Landgraf Wilhelm Christoph
von Hessen-Bingenheim inne hatte. Ueber die weiteren Geschicke Lissberg's sei
kurz bemerkt, dass es 1796 durch Teile des bei Würzburg von Erzherzog Karl
geschlagenen französischen Korps Jourdan grossenteils eingeäschert wurde.

Burgkapi lle KAPELLE UND KIRCHE. Die Kapelle von Lissberg ist in den Synodal-

Registern des Marienstifts zu den Greden in Mainz als Filial der Mutterkirche
Schwickartshausen verzeichnet, *) und zwar kann damit nur die Burgkapelle gemeint
sein, in welche Hermann von Lissberg 1344 zu Ehren des h. Pankratius einen Altar
stiftete. Denn die Gemeinde Lissberg hatte, bevor der Ort an Hessen-Darmstadt
kam, kein eigenes Gotteshaus. **) Die Bürgerschaft besuchte den Gottesdienst in
der Schloss-Kapelle. Hierzu aber war »dieselbe fast gering und eng«, und die
Mühsale beim Besuch von Kirche und Schule in Schwickartshausen oder Ortenberg
waren gross. Dieser Zustand erschien der nunmehrigen Stadt Lissberg »schimpff-
lich« und* unerträglich. Die Gemeinde entschloss sich daher nach längeren Ver-
handlungen 1618 zur Erbauung einer Kirche, welche unter dem Beirat des
Werkmeisters von Aschaffenburg auf 60' Länge und 36' Breite bemessen und vom
Landgrafen samt dem nachgesuchten Platz vor dem Schlosse bewilligt wurde.
K rche Dieses Gotteshaus ist von länglich rechteckiger Grundform, 16,7 m lang, 10 m

breit, an den östlichen Ecken chorförmig abgeschrägt. Der schlichte Aufbau wird
von einem hohen Dach bedeckt, aus dessen First über dem Chor ein Dachreiter
von der üblichen achteckigen Grundform mit zwiebeiförmiger Haube emporragt.
Thüren an der Süd- und Westseite, über denen die Jahreszahl 1618 eingemeisselt
ist, führen ins Innere. Die Öffnungen sind spitzbogig, Stabwerk und Ornament
der Umrahmung jedoch ganz in der Formbildung dieser Spätzeit der Renaissance
gestaltet, welcher auch die mit leerem Masswerk verzierten Fenster, sowie die
innere Ausrüstung entsprechen. Dagegen scheinen zwei mit Nasen besetzte Mass-
werksfensterchen, die in der Westwand eingemauert sind, irgend einem früheren
gotischen Bau entnommen zu sein. Der Kirchenraum ist- mit einer von vier
starken, achteckigen Holzpfosten getragenen Decke versehen, in deren mittleren
Teil profilierte Stuckfüllungen angebracht sind.
Grabstein An der südöstlichen Chorseite ist der Grabstein der »Hochedel gebohrenen

Frau, Frau Elisabetha Charlotte Rudrauflin, gebohrene von Myliin«, geb. 1688,
gest. 1720, des Hessen-Darmstädtischen Amtmanns Rudrauf Ehefrau, aufgestellt.
Derbes Schmuckwerk von Engelchen, Wappen, Früchten u. dergl. bilden die Zier-
raten des Denkmals.

Glocken Unter den drei im Dachreiter aufgehängten Glocken ist nur eine älteren

Datums. Sie hat folgende Inschriften: Oben am Hals, in drei Zeilen: (Hand) WAN •
ICH ■ EVCH • LEVTH • SO • HOERET • FEIN • SETZT • EVWERN • FVS • ZVR •
KIRCHE • EIN O (Hand) MIT • ANDACHT • HOERET ■ GOTTES • WORT • THVT ■

*) Würdtwcin, Dioec. mog. III, S. 178 u. 180. Guden. Cod. Dipl. III, S. 331 u. 332.
**) Pfarrakten im Grossh. Haus- u. Staats-Arch. zu Darmstadt.
 
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