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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 59.1943-1944

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Beenken, Hermann: Eine Romantische Landschaft mit dem Junotempel von Agrigent
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https://doi.org/10.11588/diglit.16492#0008

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Essener Museums, wie mit der soviel geringeren Ber-
liner Variante des Dresdener Wertes: ,.Zwei "Män-
ner, die den Mond betrachten" ?

Das meisterliche Bild, das wir hier veröffentlichen,
gehört durchaus zu jener Gruppe von Werken, bei
denen man zwischen Friedrich und Carus zu schwan-
ken vermag. Vom Motiv als solchen her ist eine Ent-
scheidung nicht ohne weiteres zu treffen, denn so-
wohl Friedrich wie Carus. die beide nie in Sizilien
waren, kann der Junotempel in Agrigent nur
durch bildliche Darstellungen anderer bekannt ge-
worden sein. Ein Hinweis Prof. Dr. P. O. Raves, dem
ich für seine bereitwillige Hilfe zu danken habe, er-
möglichte die Feststellung auch der Vorlage, die
aller Wahrscheinlichkeit nach für das Gemälde be-
nutzt worden ist. In einer der Herzogin von Berry
gewidmeten Publikation, die 1824 in Paris erschie-
nen ist: «Voyage pittoresque en Sicile» findet sich
ein auf eine Malerei des Karlsruher Zeichners und
Stechers Frommel zurückgehendes Aquatinta-Blatt
von F. Hegui, daß die Tempelruine in gleicher An-
sicht zeigt. Die Kenntnis dieser "Vorlage ermöglicht es,
die der Umsetzung in das Gemälde zugrundeliegende
gestalterische Leistung genau zu bestimmen.
Frommeis Darstellung will nichts weiter als eine An-
sicht der taghellen wirklichen Situation sein, bezeich-
nend ist schon die Staffage, die er dem Bilde beigibt:
Gelehrte mit Mappen unter dem Arm und Beisende,
die den Tempel besichtigen, ein Arbeiter, der. von
einem Archäologen angewiesen, sich an den Steinen
zu schaffen macht, im Vordergrunde dann eine Sizi-
lianerin mit ihrem Kinde. Das Gemälde dagegen
gibt den Tempel in der menschenlos einsamen Stille
der Nacht mit dem mondüberglänzten Spiegel des
Meeres in der Ferne. Es beschränkt oder beseitigt die
Vegetation in Vorder- und Mittelgrund, rückt den
Bau selber in der Bildfläche nach rechts hinüber,
nimmt den Himmel weiter und höher. Der Hügel und
die Stufen, auf denen sich die Ruine erhebt, sind ge-
steilt, jetzt ist nur noch der Tempel selber ohne kon-
kurrierende Kleinmotive gegen die nun auch ganz
anders weiträumig wirkende Ferne gestellt. Dunkel
und erhöht steht er gegen den in rötlichen und lila
Tönen gewölkten Nachthimmel. Die Landschaft als
solche hat ihren südlichen Charakter ganz eingebüßt,

mit ihren offenbar waldigen Höhenzügen erinnert
sie an die Riesengebirgs-, Harz- oder Pvügenland-
schaften von Friedrich.

An Friedrich gemahnt auch anderes, Einzelheiten
wie etwa das Buschwerk rechts neben dem Tempel,
das fast genau so in dem 1821 entstandenen Berliner
Bilde ..Nebel im Elbtal" wieder begegnet, oder die
Spiegelung des Mondes, für die man den ..Mondauf-
gang am Meer" von 1825 vergleichen mag, und
nicht zuletzt auch die ungemein zarten Wolken-
gebilde des Himmels. Und ist nicht Friedrichschen
Geistes auch diese ganze Umformung südlicher Land-
schaft ins Nordische: die Ruine als das stumme und
große Mal einer längst erstorbenen Vergangenheit
gegen die unendliche Weite gestellt?
Das Bild dürfte trotzdem nicht — wie ich zeitweise
angenommen zu haben bekenne — von Friedrich
herrühren. Herrn Alanfred Görke-Leipzig wird der
Hinweis auf eine Stelle im IV. Bande der ..Lebens-
erinnerungen und Denkwürdigkeiten" von Carus
(S. 96 f.) verdankt, in der von Briefen berichtet wird,
die Carus' Sohn Albert aus Sizilien an die Daheim-
gebliebenen gerichtet habe und deren ..Schilderun-
gen uns und den Freunden große Freude machten,
so daß mir dadurch sogar zu einigen Kohlezeichnun-
gen italienischen Stiles, ja endlich selbst zu einem
großen, im Charakter sicilianischer Ruinen compo-
nirten Ölbilde Veranlassung gegeben wurde"'. Wenn,
woran schwer zu zweifeln ist. dieses große Ölbild
das hier veröffentlichte, für Carus' Verhältnisse in der
Tat nicht kleine Werk (54 : 72 cm) ist, so haben wir
es mit einer erst um das Jahr 1854, also mehr als
15 Jahre nach den spätesten Bildern Friedrichs
entstandenen Schöpfung zu tun. In seiner hohen
Qualität, seiner Weiträumigkeit, stellt freilich, so-
viel ich sehe, dieses friedrichnahe Bild in dem späten
malerischen Schaffen des Verfassers der ..Neun Briefe
über Landschaftsmalerei" ganz isoliert. Wenn auch
nicht motivisch, so doch im Geiste, ja bis in Einzel-
heiten der künstlerischen Handschrift hinein, ist es
eine überraschende Rückerinnerung an die Kunst des
verstorbenen Freundes, der damals, in den 1850er
Jahren, wohl für die weitaus meisten Kunstfreunde
ein längst vergessener Sonderling der A'ergangen-
heit war.

„Binsenwahrheiten über Kunst" II

Vorstellung und Anschauung sind die Eltern der bil-
denden Kunst. Beide müssen sich zu einer rechten
Ehe verbinden, damit das Kind lebensfähig wird.
Wer zur Wahrheit durchdringen will, muß die Wirk-
lichkeit hinter sich lassen, d. h. eine Übersetzung der
Natur in die Sprache der Kunst ist notwendig, um
ein „Wiedersehn auf der höheren Ebene" herbeizu-
führen.

Plastik ist die Kunst der Massen im Raum. Deren ge-
heimes Gleichgewicht ist zu finden. Hierzu ist gut,

daß man leicht übersehbare, erfaßbare (mathema-
tische) Körper wählt und Gegensätze wie Parallelen
usw. deutlich macht. Der Querschnitt ist dabei ebenso
wichtig wie der Aufriß. Was die Proportionen be-
trifft, so soll man nur einfache Brüche verwenden:
hier gilt das Wort Rodins am meisten: „Die wahr-
haft Großen, die übertreiben!"

Die wechselnde Struktur verdeutlicht den Charakter
der einzelnen Teile, ihren Wert im Verhältnis zum

Ganzen. Gerhard Mareks. 2+.VI.45
 
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