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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 59.1943-1944

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Christoffel, Ulrich: Hans Holbein der Jüngere
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https://doi.org/10.11588/diglit.16492#0028

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Mit Empfehlungsschreiben von
Erasmus an Thomas Morus
reiste Hans Holbein 1526 über
Antwerpen nach London. Er
wurde von Morus ins Haus
aufgenommen und malte den
Staatsmann und Gelehrten im
Kreise seiner Familie in einem
großen Gruppenbildnis. In den
Porträts des Erzbischofs von
Canterbury, Warham, und des
Bischof von Rochester, Fisher,
entwickelte er das an den Holz-
schnitten erprobte Feingefühl
für dvnamische Entrisse und
belebte Flächenwerte zu einer
Kraft der Darstellung, die die
intimste Persönlichkeitsdeu-
tung zu einer Charaktergestal-
tung von großer Eindringlich-
keit erweiterte. Nachdem der
Künstler 1528 zur Vollendung
seiner Fresken nach Basel zu-
rückgekehrt war, ließ er sich
1552 dauernd in London nie-
der. Nachdem er schon 1527
seinen Landsmann, den Astro-
nomen Kratzer gemalt, konnte
er nun die wohlhabenden deut-
schen Kaufleute wie Jörg Gisze,
Cyriakus Fallen, Dietrich Born.
Hermann Wedigh, Dirk Tybis
und Dirk Bern in einer Reihe
von kostbaren Bildnissen por-
trätieren, in denen er bei erle-
senem Geschmack für Farbe
und Ton und bei eingehender
Beobachtung des Individuellen
einen formalen Bildnistyp her-
vorbrachte, der für das ganze
Zeitalter verbindlich wurde.
Für die Niederlassung der
deutschen Kaufleute im Stahl-
hof malte Holbein Allegorien
der Armut und des Reichtums,
und als Anna Bolevn ihren
Einzug hielt, führte er im Auf-
trag der deutschen Freunde
eine Festdekoration mit Apoll
T7—:\T~Wsa(lP*__ ^ ~^ü#" ' : . * und den Musen aus. Bei aller

dekorativen Begabung blieb

i_i u Ii. • j i r , r r l i v T " • □ i aber das künstlerische Empfin-

Hans Holbein d.J. Entwurf zur rassadenbemalung des Hauses „ Zum I anz in Basel , TT ,, . . r ,.1 .

den llolbems immer aut die in-
tensive Formerkenntnis gerich-
tet. In dem Bildnis des Sieur

des Totentanzes wird wie auch in den Bildnissen oder de Morette dominierte über der glänzenden Stofflich-
in den Gestalten der Wandbilder und der Orgelflügel keit der Kleidung die durchgebildete Feinzeichnung
immer der Mensch in seiner äußern Erscheinung und des Gesichtes, und ebenso findet sich in dem großen,
seinem Lebensausdruck erforscht und in seiner Ent- ganzfigurigen Doppelbildnis der französischen Ge-
faltung geschildert. Ehe Holbein Basel verließ, malte sandten Georges de Dinteville und Jean de Selve
er seine Frau Elsbeth mit den Kindern Philipp und gegenüber der reichsten Farbigkeit der Milieu- und
Katharina in einem Familienbild, das in seiner Einfach- Kostümmalerei die Bildnisgegenwart der Porträtier-
heit und seinem malerischem Ton zu einem Denkmal ten zur W irkung gebracht. Durch alle diese vielsei-
der bürgerlich deutschen Menschlichkeit geworden ist. tigen Eigenschaften des Verstandes, des Geschmackes.

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