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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 59.1943-1944

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Martius, Elisabeth: Aus Friedrich Nerlys Lehrzeit bei Carl Friedrich von Rumohr
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https://doi.org/10.11588/diglit.16492#0057

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Malen gleichzeitig pflegen, auch
hat Nerly von Anfang an radiert.
Beim Malen wurde weniger
Wert auf Form und Proportion
als auf freie Führung des Pin-
sels gelegt. Rumohr ließ es nicht
bei Studien bewenden, sondern
trieb den Schüler zu bildlichem
Gestalten. Wie in dem bekannten
mittelalterlichen Lehrbuch des
Cennino Cennini wird auch von
Rumohr körperliches Wohlbe-
finden für eine hochwertige
Kunstleistung vorausgesetzt. Da-
her riet er Nerly zu jagen, weil er
die damit verbundene Erholung
der Augen schätzte, und ebenso
empfahl er zur Schonung der
Hände das Tragen von wildleder-
nen Handschuhen. Wir können
hier nur flüchtig andeuten, was
er an eigener Erfahrung und in
Nachprüfung der Methoden der
ihm verhaßten Kunstakademien
über die theoretischen und prak-
tischen Grundsätze seines Unter-
richts in höchst lebendiger Form ,
niedergelegt hat3). Wie frucht-
bar seine Methode bei seinem
aufnahmefähigen Schüler war,
läßt sich an dessen Zeichnungen
beobachten, von denen wir frei-
lich, wenn sich auch manches
Blatt dieser Jahre feststellen ließ,
vieles entbehren müssen, so z. B- Foto Schert, Wien

alles auf Lübeck Bezügliche. Aus Abb. 8. Friedrich Nerly. Bildnis eines lesenden Mädchens

dem Jahre 1825, als Nerly bei _

- Bes.: Akademie der Künste, Wien

Rumohr anfing, ist die kleine

Bildzeichnung mit einer Gruppe

von Spielleuten und tanzenden und durch Reifen der Silberstift, der weniger Tonfülle gibt. Mit die-
springenden Hunden (Abb. 5), sorgfältig im Aufbau, sein brachte er 1828 sein großes Selbstbildnis hervor
aber noch ängstlich befangen in der Strichführung. (Abb. 1), das bei aller meisterlichen Charakteristik
Wir vergleichen sie mit dem Travemünder Strand der reichen stofflichen Behandlung entbehrt,
und sehen, wie viel reicher, klarer, räumlicher nun Mit dieser Zeichnung, die nicht mehr in Holstein ge-
alles gegeben wird, wie weit der junge Nerly in drei macht ist, sondern auf der Reise nach dem Süden, die
Jahren heranreifen konnte. Von Anfang an muß er Lehrer und Schüler 1828 gemeinsam antraten, schließt
große Fortschritte gemacht haben. Schon aus dem Nerlys Tätigkeit auf deutschem Boden ab. Die er-
Jahre 1824 gibt es eine bemerkenswerte Zeichnung, sten Zeichnungen der Reise zeigen eine Steigerung zu
die P. Hirschfeld veröffentlicht hat4). Sie stellt den größerer Lichtfülle. Eine Welt voll neuer Hoffnung
Baron Rumohr zeichnend dar in einem Zimmer des tut sich dem jungen Künstler in Rom auf. Mit seiner
Schlosses Rantzau bei Graf Wolf Baudissin, dem be- glücklichen Natur voll Frohmut und übersprudeln-
kannten Shakespeareforscher. Hirschfeld erwähnte der Lebenslust gelingt es ihm, dort schnell heimisch
damals das Blatt eines jungen Mädchens aus dem zu werden, ja eine führende Stellung im Gemein-
gleichen Zusammenhang als verschollen, das sich in- schaftsieben der deutschen Künstler auszufüllen. Seine
zwischen feststellen ließ (Abb. 8). Beide Blätter zeich- ersten Werke finden so viel Anklang, daß man Be-
nen sich durch die Frische der Auffassung aus. Die deutendes von ihm erwarten konnte. Doch allzubald
Darstellung des jungen Mädchens ist sehr reizvoll: gab er sich der gefälligen Wiedergabe der damals so
zart und doch bestimmt ist der Kreidestift geführt, beliebten Bilder aus dem italienischen Volksleben
weich die Modellierung der Formen. Solche frühen hin, um schließlich, seit er 1856 nach Venedig zog, ein
Arbeiten des Künstlers lassen schon erkennen, daß vielbeschäftigter Maler ansprechender Veduten zu
ihm ein malerisches Zeichenmaterial gemäßer war als werden. So ist er, dessen erste Anfänge, von den ho-
- hen Ansprüchen seines Lehrers getragen, zu großen

3) En einem Kapitel ..Künstlerbildung". (Drev Reisen nach Italien. tt nc x. i . -j t . i -tr ,

Leipzig 1852 s 257—5-) Hortnungen berechtigten, der deutschen Kunst vor-

4) Jb. a. preuß. Kstsig. 1931. 52. Bd. s. 261. zeitig verloren worden.

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