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Das Kunstgewerbe in Elsaß-Lothringen — 5.1904-1905

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Vom Büchertisch: die Werke des Mathias Grünewald
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n6

Vom Büchertisch.

Vom BüdERTisö

Die Werke des Mathias Grünewald.

Von Franz Bock. Straßburg i. E. 1904. — Es
ist etwas Sonderbares um den Reiz des Ge-
heimnißvollen ! Auch die ernste Wissenschaft
kann sich der Zaubermacht der aus der
Dämmerung aufsteigenden Gestalten nicht er-
wehren. Und ganz besonders dann nicht,
wenn es Propheten einer neuen Zeit sind,
die bald ein Sonnen-Eden, bald qualmig grelle
Glut, bald ein lichtes Glanzgewoge schildern.
Zu diesen träumenden Prophetengestalten,
die die Welt durch ihre Märchen bereichern
wollten, gehört auch der Maler Mathias Grüne-
wald.

Wer war Grünewald? Wenig genug ist
es, was wir von seinem Leben wissen. Er
ist eine ungewöhnliche, exceptionnelle, sin-
gulare Erscheinung in der Kunstwelt des
16. Jahrhunderts. Wie ungemein verlockend
ist es aber, auf »stilkritischer'' Grundlage ge-
rade das Wirken eines Meisters aufzubauen,
von dem man als Menschen vermuten möchte,
daß er bald weichmütig wie ein Kind, dann
im nächsten Augenblick unwirsch, jäh auf-
lodernd war, an sich selbst verzweifelnd, un-
fähig sich in bürgerlich geordnete Lebens-
verhältnisse zu schicken, ein Fremdling auf
dieser Erde.

Wie weiß nur Grünewald zu erschüttern
durch die Fremdartigkeit und Erhabenheit
seiner Gedanken, die unbeugsame Konsequenz
seiner Charakteristik. Mit hartnäckigem Sonder-
willen wendet er sich bei seinem Gestalten
häufig ab von den Geboten cier Kunst, wie
seine Zeit sie lehrte; er macht die Ästhetik
des Häßlichen, wenn es die Aufgabe, so wie
er sie sich stellt, mit sich bringt, zu seinem
Gesetzbuche und lehnte gewiß die Forderungen
seiner Auftraggeber störrisch ab.

Wahrhaft, eine verlockende Aufgabe, in
den Geist dieses Meisters einzudringen, ihn
aus sich selbst zu begreifen. Aber wie ge-
fährlich ist es, bei dem absoluten Mangel ur-
kundlichen Materials, der Genesis seiner
künstlerischen Gedankenwelt nachzugehen, zu
prüfen, in welch logischer Folgerichtigkeit
sich seine Wirksamkeit aufbauen läßt. Ein
herrliches Feld fürwahr eröffnet sich dabei
dem denkenden Forscher, aber auch ein
ebenso weiter Spielraum für dilettantische
Versuche!

Mit begreiflicher und berechtigter Span-

nung sieht man dem großangelegten Werke
H. A. Schmids entgegen, der seit Jahren die
Grünewaldforschung mit Hingebung pflegt.
Nun ist statt dessen ein Buch mit dem viel-
verheißenden Titel erschienen : „Die Werke
des Mathias Grünewald von Franz Bock."

Das Vorwort beginnt mit dem Hinweis
auf Woltmann, der seinen Artikel über Grüne-
wald in der „Allg. deutschen Biographie11 mit
dem Bekenntnis einleitet, ein Leben Grüne-
walds könne nicht geschrieben weiden. Bock
betont, daß dieser Satz noch heute seine Gel-
tung habe, beruhigt aber den Leser durch die
Versicherung, daß eine Monographie über
Grünewald trotzdem geschrieben werden
könne, denn seine Werke seien zahlreich ge-
nug, um seinen Entwicklungsgang zeichnen
und eine klare Anschauung von seiner künst-
lerischen Persönlichkeit gewinnen zu können.
Bock stellt sich als der zur Bewältigung einer
solchen Aufgabe Berufene vor. Es ist hier
nicht der Ort, um auf die Arbeit näher ein-
zugehen. Aber das Gute darin ist nicht neu,
und das Neue ist fast durchaus verfehlt. Das
Buch ist eine wahre Fundgrube an burschi-
kosen, gesuchten und geschraubten Bemer-
kungen. Auf Schritt und Schiitt stößt man
aber auch auf sachliche Unrichtigkeiten. Dem
Verfasser mangelt selbst die Ubersicht über
die in Betracht kommende Litteratur oder
doch das Vermögen, sich mit ihr wissen-
schaftlich abzufinden. Der Verfasser glaubt,
dadurch eigenartig zu erscheinen, daß er sich
über viele Urteile und Meinungen älterer
Kunstkenner hohnlächelnd hinwegsetzt; in
Wahrheit hat er aber damit nicht mehr und
nicht minder getan, als sich vom Boden
ernster Forschung entfernt. Die Eilfertigkeit,
mit der das Buch ausgeführt ist, die hohe
Meinung von sich selbst, waren wohl die vor-
nehmsten Hindernisse, die sich dem Plane des
Verfassers, eine befriedigende Darstellung der
Wirksamkeit Grünewalds zu geben, entgegen
stellten. Man kann aber auch nicht sagen, daß
sich der Verfasser aus Labyrinthen zum geraden
Wege emporgearbeitet hat : seine Darstellung
wird deshalb mehr verwirrend als klärend
wirken, weil von ihm unglaublich viel Fremdes
in den künstlerischen Charakter Grünewalds
hineingelegt worden ist. Nur das Eine sei
hier betont : Bildschnitzer war der Meister
gewiß nicht, und die Köpfe in St. Marx in
Straßburg stammen von einem Meister, der
mit Grunewald nichts gemein hat.

Für die Redaktion verantwortlich : Prof. Dr. Leitschuh in Strassburg.
 
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