Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1879

DOI Heft:
Heft 1/2
DOI Artikel:
Pecht, Friedrich: Kunstindustrielle Ergebnisse der Pariser Weltausstellung, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6905#0014

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
I O -t

vortrefflich bewährt. So bei der belgischen Ausstellung, wo es am konsequentesten durchgesührt ward und derselben
dadurch eine Wirkung sicherte, die sogar noch weit über ihre wirkliche, doch sehr achtbare Bedeutung hinausging.
Diese lag speziell in der geschickten Anwendung der heimischen, aus die Einflüsse des Rubens zurückzuführenden
Renaissance, wobei besonders die reiche Verwendung der prächtigen inländischen Marmore in's Gewicht fiel, welche
die belgische Fagade eigentlich zur schönsten von allen machten. Auch die Herstellung der Innenräume war
vortrefflich und entsprach überaus wohl dem heitern, lebenslustigen, derben und doch nichts weniger als frivolen,
sondern die guten deutschen mit manchen französischen Eigenschaften sehr glücklich verbindenden Nationalcharakter,
prächtig und stattlich spricht sich derselbe in einer großen Zimmerdekoration aus, von Pohlmann, Dalk ch Eie.
in Ahornholz ausgeführt, wo die reich geschnitzten Ornamente und Säulenkapitäle vergoldet sind. Aber auch
eine Reihe anderer Zimmer in der nationalen Renaissance ist sehr gelungen und wirken dabei besonders die schönen
Gobelins immer sehr gut. cholland hat sich ebenso eine sehr hübsche derartige Faqadc geschaffen und zeigt innerhalb
derselben wenigstens die prächtigen Teppiche seiner alten Deventer Manufakturen.

Diese wie Seidenstoffe aller Art, dann keramische und Metallarbeiten, sowie die berühmten Lacksachen
studirt inan indeß ain besten bei den Indern und Japanesen, die darin alle europäischen Nationen übertreffen
und diesiiral in einer Fülle vertreten sind wie nie vorher.

Das kann denn auch keinem Zweifel unterliegen, daß die französischen und englischen Luxusgewerbe die
Fortschritte, mit denen sie uns dicsnial überraschen, hauptsächlich dem genaueren Studimii der orientalischen In-
dustrien verdankeir und der geschickten Verwendung der Resultate derselben. Diese aber haben ihre außerordentliche
technische Vollkoinmenheit offenbar nur dem Umstand zuzuschreiben, daß sich dieselben seit Jahrtausenden gleich
geblieben sind, ihre Technik vom Vater immer wieder aus den Sohn übertragen worden ist, unter allen Umständen
wenigstens in der Aaste ausbewahrt blieb. Bekanntlich vererben sich Talente und Fähigkeiten aber nicht weniger
als körperliche Eigenschaften, dies allein erklärt schon die Erscheinung, daß alle alten lokalen Industrien mehr
leisten, leichter regenerirt werden als neu geschaffene, wie wir das durchweg beobachten können. Die hohe tech
nische Fertigkeit der französischen Industrie, ihre ungewöhnliche Präzision und Solidität der Arbeit, die daher
stammende außerordentliche Gewandtheit, mit der sie sich alle Fortschritte Anderer sofort eigen zu machen und
zu benützen vermag, entspringen ganz aus derselben Quelle der ungestörten, Jahrhunderte alten Entwicklung und
Vererbung. Denn die französische Aunstindustrie ist nicht wie unsere heute entstanden, uni morgen zu vergehen,
sondern sie besteht, soweit sie nicht, wie die Limosiner Aeramik, die Aubussoner Teppiche, die Lyoner Seiden-
Industrie, noch älteren Ursprungs ist, doch wenigstens seit zwei Jahrhunderten ununterbrochen fort, seit sie
Ludwig XIV. durch seine Monumentalbauten und Lolbert durch sein weises Zollschutzsystem in's Leben rief, ihr
durch die vollständige Sicherung des heimischen Marktes die Möglichkeit verschaffte zu erstarken. Soll dies die
unsere jenrals können, so gehört dazu vor Allem eine totale Aenderung unseres Zollsystems. Ohne einen gesicherten
innern Markt kann niemals eine Aunstindustrie aufkommen und die Aonkurrenz der französischen bestehen, die
durch ihr so intelligent ausgebildetes System hoher Schutzzölle im eigenen Lande vor jeder Aonkurrenz gesichert
und dadurch so kolossal erstarkt ist. Denn es unterliegt auch nicht dem mindesten Zweifel, daß sie sich ohne
solche nie zu einer so merkwürdigen Blüthe entfalten, allinälig die aller andern Länder vom Weltmarkt ver-
drängen, sich einen so Ungeheuern Aredit besonders in den höheren Ständen, ganz speziell aber bei uns hätte er-
ringen können. Gerade weil man aber in Deutschland so sehr geneigt ist, das Fremde zu überschätzen, bedürfen wir
eines starken Zollschutzes unr so dringender. Nächst der Verbesserung der eigenen Produktion wird daher die
Anstrebung eines solchen immer das erste Ziel sein müssen, was unsere Aunstindustriellen zu verfolgen haben.
Der Vortheil, welcher der französischen Industrie durch unser Zollsystem vor der eigenen eingeräumt wird, ist
ebenso skandalös als einer großen Nation iin höchsten Grade unwürdig. Wie sollen wir z. B. Aunstbronzen
fabriziren, während der Eingangszoll dieser kostbaren Artikel bei uns \2 Mk. vom Zentner, in Frankreich
dagegen 50 Frcs., vollends aber bei den: Porzellan 10 % des Wertstes, bei den Fayencen 15 °/°, bei den
Möbeln f0°/°, resp. s8°/° beträgt, indeß unsere Gewichtszölle gerade bei den feineren Qualitäten gar nicht
mehr in Betracht kommen, eine wahre Satire auf jeden Schutz darstellen.

Um dies Ziel besserer Sicherung zu erreichen, das bis jetzt gerade in dem deutschen Reichstag seine hart-
näckigsten Gegner fand, muß man freilich nicht Juristen oder Pfarrer, sondern Industrielle in denselben schicken.
Die bayerischen wie die deutschen Gewerbetreibenden überhaupt müssen vor Allem lernen, bei den Wahlen ihre
Interessen besser wahrzunehmen als bisher, und nie Jemandem ihre Stimmen geben, der sich nicht auf's
bestimmteste verpflichtet, für einen wirksameren Schlitz der heimischen Produktion einzutreten. Nur in Folge des-
selben gelang es der französischen Aunstindustrie, nach und nach alle andern, die dieser verständigen Fürsorge
entbehrten, zu überflügeln und zu verdrängen, unr so mehr als die Aonzentration fast der gesammten derartigen
Produktion in Paris rnrd die stetige Berührung mit der dortigen Aunst ihr einen Ueberfluß an Arbeitern und
technischer Tradition sicherte, der selbst die Zünfte entbehrlich nrachte, die bei uns in Deutschland so lange die
Bewahrer der letzteren waren wie jenes Standesstolzes und Ehrgefühls unter Meistern und Gesellen, das man
jetzt so oft vermißt und das den Beruf erst zu adeln, seinen Trägern einen sittlichen palt zu gewähren vermag.
 
Annotationen