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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1879

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Heft 5/6
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Hirth, Georg: Ueber Zimmereinrichtung im Renaissancegeschmack
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https://doi.org/10.11588/diglit.6905#0037

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Nr. 5 & 6

München. 1879.

lieber Zimmereinrichtung im Renaissaneegeschmack.

Vortrag von Georg dirtb.

er Gegenstand unserer heutigen Betrachtung ist nicht allein für unser Privatleben, sondern auch für
die Entwicklung unserer nationalen Industrie von hoher Bedeutung. Insofern handelt es sich heute
allerdings um eine volkswirthfchaftliche Frage. Beit Jahren hat sich in mir immer mehr die Ueber-
reiianna befestigt, daß unter den Faktoren, welche zur Hebung unseres wirthschaftlichen Lebens
Zusammenwirken müssen, die Heranbildung eines guten nationalen Geschmackes eine hervorragende,
vielleicht die vornehmste Stelle einnimmt. Jedenfalls bewegen wir uns hier in einem Reforingebiet, welches
durch den Zauber der Kunst verklärt und welches dem unerquicklichen und unfruchtbaren Interessenkampf zwischen
Freihandel und Schutzzoll so weit als möglich entrückt ist.

Greifbarer freilich noch als für die Industrie und für die Volkswirthschaft im Allgeineinen ist die Be-
deutung der Frage für unser Privatleben. Die Aelteren unter Ihnen werden mich vollkommen verstehen, wenn
ich sage: <£s gibt Stunden und Tage, in denen uns die äußere Welt mit ihren Enttäuschungen gründlich vergällt
ist, in denen wir kummerbeladen und lebensmüde das Treiben der Menschen grau in Grau sehen. Die Glück-
lichen, welchen in solchen gedrückten Stimmungen ein starker Gottesglaube einzig und allein über alle Gemüthsnoth
hinweghilft, sind gezählt; wir Menschen suchen doch immer wieder nach sinnlichen Eindrücken, welche uns die
trüben Gedanken verscheuchen helfen. Der Eine findet Erlösung auf Bergeshöhen und in Waldesduft, der
Andere in der Harmonie der Töne, der Dritte in den Gebilden der sichtbaren Kunst. Wohl mögen die Lin-
derungen, die wir uns so verschaffen, wie unser ganzes Leben nur auf einem glücklichen Wechsel des Wähnens
beruhen; aber ein leerer Wahn ist cs doch nicht, wenn wir damit neue Kraft und neues Hoffen gewinnen.
Ja diese Wahnfähigkeit, wenn ich so sagen darf, bildet für den civilisirten Menschen eine ebenso nothwendige
Versicherung gegen die Ungunst des Schicksals, wie die Versicherung gegen die Gefahren des Feuers und der
Verarmung.
 
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