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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1879

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Heft 1/2
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Pecht, Friedrich: Kunstindustrielle Ergebnisse der Pariser Weltausstellung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6905#0013

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9 -4

Kunstmöustrielle Ergebnisse der pariser Weltausstellung.

von Lriedr. pecht.


(Schluß zu Seite 85, Ejcft u & \2 des Jahrgangs (878.)

in Wettkampf ist dann schon darum nicht unmöglich, weil, wenn die französische Industrie nach
der koloristischen Seite hin ihre Ueberlegenheit in den letzten zehn Jahren noch gewaltig gesteigert
hat, sie in anderen eher zurückgeblieben ist. Ihre Dessins leiden noch bedenklich am Naturalismus
utid das Stilgefühl läßt sich überhaupt oft vermissen. Am Meisten zeigt sich dies in der Luxus
glasfabrikation, wo Lobmeyr in Wien einen entschiedenen Sieg über die französischen Konkurrenten
in Baccarat und Paris davontrug, besonders weil er nicht nur die koloristischen Reize, deren das
Glas fähig ist, viel besser auszunützen verstand als sie, sondern auch zugleich seinen Gläsern eine
so streng stilvolle, edle Form zu gebet: verstand, daß daneben die ihrige fast immer lahm aussieht. Eben darum,
weil seine Form strenger ist, erscheint sein Fabrikat auch entschieden vornehiner. Dasselbe gilt von der Färbung.
Ist es die Tendenz der Franzosen, nach Art des Rococo durch lauter zarte gebrochene Töne zu wirken, so gibt
es noch eine andere, von unseren Altdeutschen eingeschlagene und von den venetiancrn weiter gebildete: durch
die Tiefe und Gluth der Farbe zu wirken, wozu sich das Kristallglas besonders eignet, die Seide nicht minder.
So haben denn auch Iaas wie Giani in Wien mit ihren Teppichen und Stickereien, in denen der Erstere die
in unseren: Nationalmuseum gegebenen herrlichen persischen Muster n:it großen: Geschick benutzte, die französische
Konkurrenz sehr wohl ausgehalten, ja die einst so berühnrten Aubusson Teppiche vollkonnnci: aus den: Feld
geschlagen. Auch die Schmiedearbeiten und Gitterwerke von Biro, Milde, Wilheln: rc. sind unübertroffen, wie
die Maroquinerie und Galanteriewaaren von Klein, vorab seine schönen Albums.

Leider zeigt aber die Kunstindustrie unserer österreichischen Brüder nicht viel n:chr als eine Reihe aller-
dings oft höchst hoffnungsvoller Ansätze, die aber doch sehr viel günstigerer Verhältnisse bedürften, als sie der
Kaiserstaat jetzt zu bieten verinag, um sich weiter entwickeln zu können. Immerhin beweist sie uns aber, wohin
wir es auch bringen könnten, wenn wir es richtig anfangen.

Kaum weniger eklatanten Fortschritt zeigt die italienische Industrie als die österreichische. Dieselbe hat
von Jaus aus das richtige verständniß gehabt, überall an ihre Vergangenheit anzuknüpfen, und so leistet sie
denn nach Tastellani's Vorgang in allen Arten von Schmuck, in Ginori's und Anderer Majoliken, in den
Imitationen altvenetianifcher und antiker Gläser der Fabriken in Murano, sowie in Renaissancemöbeln und
Holzschnitzerei höchst Achtungswerthes und Eigenthümliches. Besonders innerhalb der letzteren sind die Arbeiten
Frullini's geradezu unerreicht an feinen: künstlerischen: Gefühl und Bravour des Vortrags. Derselbe weiß in
seinen Arabesken nach Art der Altitaliener die feinste Charakteristik des Stofflichen so geschickt zur Erzielung
nmlerischer Kontraste zu verwerthen, hat ein so glänzendes Talent, das perspektivische in der Bewegung zu geben,
die Kontouren verschwinden und wieder auftauchen zu lassen, die pikantesten Schattenwirkungen zu erzeugen, daß
wir ihn: in unserer Holzschnitzerei vorläufig nicht entfernt Aehnliches entgegenzusetzen hätten.

Wenn die englische Kunstindustrie, obwohl ihr die österreichische an künstlerischer Kraft eher überlegen
erscheint, dern:al neben der französischen die größte Bedeutung in Anspruch nimmt, so ist das wenigstens gewiß
nicht, weil sie in den Preisen mit ihr konkurriren könnte, um so eher an Charakter und Solidität der Arbeit.
Jenes wäre höchstens in den gewöhnlichen Gattungen des Steinguts und Porzellans, sowie etwa bei den Teppichen
der Fall, wo das Kidderminster Fabrikat die persischen und indischen Teppiche sehr geschickt nachahmt, wenn
auch ohne ihre ganze Farbcnschönheit zu erreichen. Dennoch ist die englische Kunstindustrie sehr energisch vorwärts
gegangen, n:it einer Ausdauer und Beharrlichkeit, die man Andern oft wünschen möchte. Allerdings hatte sie
in den: ungeheuer:: Rcichthun: und den: Nationalgeist der Engländer, der sie ihr Fabrikat unter allen Nnfftändcn
vorziehen, die höchsten Preise dafür zahlen läßt, einen natürlichen Schutzzoll, der selbst jeden künstlichen überflüssig
macht und von den: vorläufig bei uns sehr wenig Spuren zu entdecken sind. So zeigte denn ihre uralte Glas ,
Porzellan- und Fayence-Fabrikation große Fortschritte, in der letzteren glänzt hauptsächlich Wedgwood & Son
durch eine Reihe der trefflichsten Produktionen, besonders von überaus schönen Bildern Allen's, eines ungewöhnlich
begabten Künstlers. Aber auch die Royal Porzellan Works, Mintons, Copeland ::. A, bringen vortreffliche
Spezialitäten. Indeß unterscheidet sich die gesainmte englische Kunstindustrie von der französischen darin durchaus
und offenbart ihren besonderen Nationalcharakter, daß sie nienrals kokett und doch oft sehr vornehin ist, wie
speziell der von den besten englischen Fabrikanten in: nationalen Renaissancestil ausgeführte und möblirte Pavillon
des Prinzen von Wales beweist, der nicht an spezifischem Kunstwerth des Einzelnen, aber an Harmonie, Behag-
lichkeit und Komfort den Kaiserpavillon der Oesterreicher aus unserer Ausstellung noch sehr übertras. Auch
sonst hat sich das hier in München zuerst durchgeführte Prinzip der Herstellung geschlossener Räume zu Paris
 
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