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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1879

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Heft 3/4
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Rechenschaftsbericht des Bayer. Kunstgewerbe-Vereins für 1878
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Unsere kunstgewerblichen Musterblätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.6905#0035

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}• Ö\ “I

I)crr Vorsitzender betont, wie nirgends niehr Uebelstände durch diese Zerfahrenheit hervorgerufen wurden,
als gerade in der Kunstindustrie. Wir wollen keine Innungen nach alteni chystenr, wir wollen Gilden, die sich
gegenseitig unterstützen, wir wollen wieder den 5tolz des Handwerkers wecken, die Liebe und Anhänglichkeit des
Lehrlings wie des erwachsenen Mannes zu seinem Meister, der ihn sein Handwerk gelehrt! Es ist doch eine
erfreuliche Erscheinung, daß trotz alledem unter Künstlern das schöne Verhältniß zwischen Meister und 5chüler
in altherköninrlicher Weise noch sortbesteht, so daß der Künstler bis in fein Alter sich rühmt, der Schüler dieses
oder jenes Meisters zu sein; warum sollte diese gegenseitige Achtung nicht auch bei den: Handwerker wieder
eingeführt werden können? Es gibt ja doch noch ein anderes haltbares Bindemittel als das Geld, wobei der
Industrielle oft von seinem Berufe wenig oder gar nichts versteht. Auf diese Weise tüchtige Meister und tüchtige
Arbeiter heranzubilden, ist eine reine Unmöglichkeit, und daran leidet unser Kunstgewerbe, da muß geholfen werden.

Nachdem Herr Vorsitzender die obwaltenden Uebelstände in prägnantester Weise gekennzeichnet, gleichzeitig
aber auch Mittel und Wege in Vorschlag gebracht hatte, Besserung zu erzielen, empfahl er diesen Gedanken und
Antrag, welcher vorerst nur hingeworfen, einer Ueberlegung und Berathung zu würdigen; zur Ausführung dann
kräftig initzuwirken, verspreche er.

Herr Redner hat zur Klärung seines Gedankens vorgeschlagen, die kunstgewerbliche Thätigkeit in sechs
Gruppen zu theilen und für jede Gruppe einen Obmann zu wählen, um die fraglichen Arbeiten in Angriff
zu nehmen.

I. Gruppe: Uletallindustrie (Gold, Silber), wofür Herr Halbreiter als Obmann geeignet wäre.

II. Gruppe: Uletallindustrie anderer Art (Eisen rc.), wozu fjerr Stroblberger als Obmann empfohlen wurde.

III. Gruppe: Kalligraphie, Zeichnen und Malen (Druckergewerbe), wozu Herr Dr. Hirth als Obmann
empfohlen wurde.

IV. Gruppe: Holzindustrie, wozu Herr Radspieler oder Herr Gcdon als Obmann vorgeschlagen wurde.

V. Gruppe: Textilindustrie; hiefür wurde Herr Steinmetz sen. als Obmann vorgeschlagen.

VI. Gruppe: Keramik und plastische Industrie; hiefür wurde Herr Gabriel Seidl als Obinann

vorgeschlagen.

Nachdem nun dein Gedanken beifällige Zustimmung geworden und von keiner Seite ein weiterer Antrag
oder Wunsch ausgesprochen wurde, erklärte Herr Vorsitzender die Generalversanmilung für geschlossen.

Das von: Vorsitzenden bezeichnete
anwesende ordentliche Mitglied:
Hütt e r i ch.

Der Vorsitzende:
Ferdinand von Miller.

Der Schriftführer:
Kitzinger.

Unsere kunstgewerblichen Musterblatter.

Tafel 7: Entwurf zur Dekoration eines vestibules von
Lranz Lrochier. Der Zugang zu den auf beiden Seiten des
Vestibules liegenden Parterreräumen ist dadurch ermöglicht, daß
ein Theil um etwa sieben Stufen erhöht ist. Rechts und links
sind die Thüren für die Räume des Erdgeschosses, während die
Treppe für die oberen Etagen sich weiter in der Richtung der
Längsaxe anschließt. Die Dimensionen des Ganzen paffen sich
denen eines reich ausgestatteten herrschaftlichen Mohnhauses an
und es wäre eine Parterrehöhe von etwa fünf Meter erforderlich.
Dem Höhenunterschied des Fußbodens entsprechend, läuft im
Vestibüle ein hoher marmorner Socke! herum, wand und Plafond
sind in lsolz gedacht mit auf Goldgrund gemalten Füllungen.
Der Sockel der Karyatiden wäre in seinem oberen Theile mit
Einschluß der Figur in Bronze, der untere Theil in dunkel-
farbigem Marmor tritt Bronzeverzierungen auszuführen.

Tafel 8: Buffet, Schachtisch, Bierbock, Laterne und verschie-
dene Gefäße aus dem Renaiffance-Einrichtungs-Magazin von
Zeitz 4 Zeidl in München. Dieses Geschäft, zunächst eine begei-
sterte Schöpfung unserer Mitarbeiter, Maler Rud. Seitz und Archi-
tekt G. Seidl, hat sich die ebenso dankbare als schöne Aufgabe ge-
stellt, die Zimmereinrichtung des Renaissancestils dem deutschen
Bürgerhaus zugänglich zu machen — oder vielmehr wieder zu-

gänglich zu machen. Denn das macht ja gerade die hohe Bedeut-
ung dieses Stils für unsere Gegenwart aus, daß es auch in Deutsch-
land einmal eine Zeit gab, wo der gute Geschmack ein Gemeingut
des Volkes und selbst dem tsause des Bauern nicht fremd war.
Je mehr daher nufer Aunstgcwerbe die Neigung zeigt, in einseitiger
Meise dem Reichthum und Luxus dienstbar zu werden, desto mehr
muß man die Bestrebungen willkommen heißen, welche auf eine
Popularisirung der Kunst im Lfauso ausgehen. Die cherren Seitz
& Seidl sind hier mit einem wahren Feuereifer vorangegangen,
und wenn sie auch im Laufe der neuen Praxis täglich lernen —
nichts ist ja schwerer, als gleichzeitig den Anforderungen des künst-
lerischen Geschmackes und den Neigungen des Publikums gerecht
zu werden — so darf man doch sagen, daß ihr Unternehmen ein
wirklich erfolgreiches ist. Lferoorheben müssen wir, daß die Firma
zwar im Geiste der alten deutschen Renaissance schafft, daß aber
die zahlreichen Gegenstände aus den Gebieten der Tischlerei und
Schlosserei, der Keramik rc. wohl durchweg nach Griginalzeichnun-
gen der leitenden Künstler gefertigt und mit Musterschutz versehen
sind. Mir werden nächstens weitere Abbildungen bringen.

Tafel 9: Einiges aus der Ausstellungshalle des bayerischen
Kunstgewerbevereins. Uhr, entworfen und ausgeführt von
ckagemann. Die Zeichnung des Uehrchens lehnt sich an Ar-
 
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