Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1879

DOI Heft:
Heft 3/4
DOI Artikel:
Unsere kunstgewerblichen Musterblätter
DOI Artikel:
Vermischte Mittheilungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6905#0036

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
52

}■

beiten des iS. Jahrhunderts an und ist der jetzigen Geschmacks-
richtung angexaßt. Ls ist ein versuch, die alte Technik des
Kleinmeisters wieder zur Geltung zu bringen. Rein Theil des
Uehrchens ist fabrikmäßig hergestellt; Alles ist Landarbeit; Fuß
und Karyatiden sind aus Bronze und ciselirt; die oberen Orna-
mente sind mit der Laubsäge aus Messingblech ausgeschnitten und
mit der Zange in ihre Formen gebogen. Die Uhr ist Cm. hoch.
Kreuz, Kette und Brache, entworfen und ausgefiihrt von £. Leigh.
Das Kreuz ist aus t-tlöthigein Silber; es ist gegossen, orydirt und
ciselirt; die ächten Steine sind verschieden und in Gold gefaßt;
die Fassung und die dazu gehörigen Kränzchen, die sich um die
Steine herumziehen, sind aus t^karatigem Gold. Die Glieder
der Kette sind gegossen und geprägt und dann nachciselirt: die
Verbindungsringelchen sind von Gold; Köpfchen und kleine in
Gold gefaßte Steine schmücken abwechselnd die Kettenglieder;
Granaten oder perlen werden auf Verlangen eingesetzt. Die
Broche besteht aus t^karatigem Silber, ist oxydirt, doch nicht
schwarz; die Steine sind ächt und in Gold gefaßt. Kreuz, Kette
und Broche find in natürlicher Größe gegeben. Ausgenommen
von L. Drochier.

Tafel \o: ffifcn im Winkelriedbause zu Ltanz, nach einer
Gelfarbenskizze von Ernst Zimmermann. Laut Inschrift wurde
dieser Gfen 599 verfertigt und stammt aus der berühmten
tfafnerei von Sulzer in Winterthur, ein Name, der auf gar
vielen, jetzt noch exiftirenden Prachtstücken dieser Art der Keramik
sigurirt. Die einzelnen Kacheln des weißen Gfens enthalten
farbige Reproduktionen von Dürer's großer Passion. Die gewählte
Farbenskala: blau, orange, karmin, grün und braun, wirkt un-
gemein feurig und harmonisch. Die Pilaster füllen Putten,
Satyrn, gerollte Lederstücke; einzelne sind fast ganz mit trefflich
behandeltem vegetabilischem Drnament bedeckt. Wir geben Proben
hievon nach den Aufnahmen des Lferrn Zimmermann. Die
Vertäfelung des Zimmers ist einfach, ohne jegliche ornamentale
Zuthat; sie ist ziemlich tief im Ton; desto brillanter sticht der
Gfen davon ab, dessen Grundriß ein Sechseck ist, und der sich
in zwei Etagen erhebt, deren obere frei von der Wand absteht-

Tafel {{: Pilaster zu Tafel ;o.

Tafel 12: Kpiegelschrank, zu einer Schlafzimmergarnitur
gehörig, entworfen von G. Fritzsche und in italienischem Nuß-
baumholz ausgeführt von Anton pöstenbacher.

-SM®®«*-

vermischte Mittheilungen.

Mittheilungen aus dem bayer. Aunstgewerbevercin.

Seit unserem letzten Berichte über die wöchentlichen Mitglieder-
versammlungen im Festsaal unseres Vereinshauses wurde in diesem
Raume eine zahlreiche Zuhörerschaft durch eine Reihe höchst inter-
essanter Vorträge erfreut, lserr Professor Kuhn hielt zwei Vor-
träge, in welchen er die Geschichte der Glasindustrie von den frü-
hesten Zeiten bis zum Schluffe des ; 8. Jahrhunderts behandelte,
verr Professor vr. Ranke las über die Anfänge der Grnamentik;
er bewies, daß die Verzierungen der ältesten Gefäße trotz ihres pri-
mitiven Aussehens in den für alle Zeit gütigen Grundlagen aller
Verzierungskunst wurzeln, indem sie zunächst aus der technischen
bserstellungsweise der zu verzierenden Gegenstände hervorgingen,
kserr Professor Ranke theilte in Zeichnungen, Abgüssen und Gri-
ginalen viele Proben der primitiven Kunstübung mit. tferr Mayer
von Mayerfels hielt über mittelalterliche Burgen einen Vortrag, in
welchem er unter Anderem hervorhob, die mittelalterliche Stadt sei
nur die erweiterte Burg der Bürger gewesen; die Prinzipien und
bfauxtformen der Befestigung von Burg und Stadt seien dieselben.
Schließlich zeigte kferr Mayer von Mayerfels ein wohlgelungenes
Modell des Schlosses Meersburg, dessen Besitzer er ist. bferr Pro-
fessor Riehl sprach über die modernen Erfinder. Nach der Angabe
der unterscheidenden Merkmale des mittelalterlichen und des mo-
dernen Erfindergeistes, unter welchen er für das Mittelalter und
die eigentliche Renaissance die vorherrschende Neigung zum Künst-
lerischen, in welchem die Einzelnen Ruhexunkte von ewigem Werth
fanden, für die moderne Zeit hingegen die Dienstbarmachung und
Nutzbarmachung der Naturkräfte von wirthschaftlichen Gesichts-
punkten aus, sowie die Ruhelosigkeit der stets weiterdrängenden Wis-
senschaft und Technik besonders accentuirte, zog er eine trefflich
gelungene Parallele zwischen den Erfindern musikalischer Instru-
mente, der Notenschrift und Bnchdruckerknnst und den modernen
Erfindern der Dampfmaschine. Der Redner schloß mit der lsoff-
nung, daß das moderne Kunstgewerbe zur Versöhnung beider
Richtungen das Seinige beitragen werde. In einer der folgenden
Wochen machte tferr v. Miller nach seiner Rückkehr vom Reichs-
tage interessante Mittheilungen über die Aussichten der deutschen
Kunstindustrie in Folge der neuen Zollgesetzgebung, sowie über
das lebhafte Thun und Treiben im Berliner Kunftgewerbeverein.
Den letzten Vortrag hielt tferr vr. bsirth über häusliche Einricht-
ung im Renaissancegeschmack. In einer einleitenden Eharakteristik
der Renaissance schrieb der Redner den Meistern derselben den

sicheren Ueberblick über alle Faktoren, deren Zusammenwirken
einem Rauine die künstlerische Weihe verleiht, mit Recht zu. Er
gab sodann eine ausführliche Anleitung zur Ausschmückung der
Wohnräume, wobei er ein besonderes Gewicht auf das individuelle
Aussehen der einzelnen kunstgewerblichen Gegenstände legte und
sich gegen die uniforme Behandlung, z. B. der Stühle, aussprach.
Der Vortrag wird in dieser Zeitschrift zum Abdruck gelangen.

An den Versammlungsabenden, an welchen keine ernsten Vor-
träge gehalten wurden, hatten die Mitglieder Gelegenheit, sich an
musikalischen Produktionen zu erfreuen. Am Fastnachtsdienstag
war der Festsaal besonders belebt. Nachdem kjerr Graf Fugger
eine humoristische Geschichte der technische» Künste von Adam und
Eva an bis in die neueste Zeit gegeben hatte, wurde die Versamm-
lung durch einen Zug von Ungarn und Zigeunern überrascht. Es
waren junge Künstler, welche den Ezardas mit einer Schneidigkeit
und Glut spielten und tanzten, daß man darauf geschworen hätte,
es seien lauter Vollblutungarn und ächte Zigeuner.

Ein rühriges Leben zeigt sich fortwährend in der Ausstellungs-
halle des bayer. Kunstgewerbevereins. Es ist die erfreuliche Wahr-
nehmung zu machen, daß die Kunsthandwerker sich wahrhaft be-
eifern, ihre Werke zur Ausstellung zu bringen. Wir sahen eine
Menge von Möbeln, welche die Herren Pössenbacher, Rau, Schrö-
der, Wächter, Seitz und Seidl nach Entwürfen von Fritzsche, Hof-
stadt, Eisen, Seder oder nach eigenen Entwürfen ansstellten; wir
begegnen Majoliken von Utzschneider und Keller-Leuzinger; die der
ersteren Firma sind sehr naturalistisch, aber lebendig behandelt und
zeigen dabei eine gesättigte, Augen erfreuende Farbe. Die Majo-
liken von Keller-Leuzinger haben ein stilvolleres Drnament und
feine Farbengebung, von Meister Halbreiter war eine Hänge-
lampe, ein Nautilus und ein Pokal nach einer Zeichnung von
R. Seitz zu sehen. In unedlerem Metall arbeitet Herr Bußmann
vorzüglich, wie das sein Fenstergitter aus Schmiedeeisen bezeugt,
verschiedene der erwähnten und auch nicht erwähnte:: Gegenstände
werden in dieser Zeitschrift abgebildet erscheinen. Auf Tafel 9
dieses Heftes bringen wir aus der Ausstellungshalle Arbeiten von
Iagemann und Leigh; die ausführliche Beschreibung findet sich
unter der Rubrik: Unsere kunstgewerblichen Musterblätter.

Zu besonderem Dank ist unser Verein dem Herrn Baurath
voit verpflichtet, welcher die Sammlung von Modellen für den
Zeichnen-Unterricht von Leon Lhedeville unserer Abendschule zum
Geschenk machte.

verantw. Redakt.: vr. S. Lichten stein. — Verlag von G. Hirth in Leipzig Sc München. — Druck von Kn 0 r r & £j t rt b tit München.
 
Annotationen