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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1879

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Heft 11/12
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Ranke, Johannes: Anfänge der Kunst, [2]
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Pecht, Friedrich: Bericht über die Preisbewerbung kunstgewerblicher Entwürfe für die vom bayr. Kunstgewerbe-Verein für das Jahr 1880 veranstaltete Verloosung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6905#0092

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Herstellung dieser Druckornamente benützt. Es sind das die mit Linien ornamentirten Köpfe von starken Bronze-
nadeln, wie solche auch als Haarschmuck in jener Zeit tausendfältig im Gebrauche waren. Unter dem Kops
zeigen viele dieser Nadeln den eigentlichen Nadelschast mit einer vertieften Spirallinie umgeben. Auch diese Spiral-
linien wurden vielfach auf den Geschirren abgedrückt. Meist umkreisen, schief gegen die Höhenrichtung des Ge-
fäßes gestellt, derartige Spiraleindrücke die größte Ausbauchung des Gefäßes. In der Form schließt sich dieses
Ornament direkt an die alten längstbeliebten Flechtornamente: den Flechtring, den Strick an.

Wie wunderbar conservativ der Kunstgeschmack der Menschheit ist, sehen wir nicht nur an unserer be-
ständigen Wiederholung der beliebten klassischen Ornamentalmotive. Wenn Sie an dein Verkaufslocale eines
Töpfers vorübergehen und sich die modernsten Ornamentationssormen der für den täglichen Gebrauch be-
stimmten Geschirre betrachten, so stimmen dieselben der Mehrzahl nach noch vollkommen mit diesem ältesten
Ornamentationsgeschmack überein. Flechtwerk, welches mit seinen einfachsten ornamentalen Motiven die Gesäße
in: Ganzen umgibt, die Spiralmotive noch in der alten Stellung, die Fingereindrücke, theils bei roherer Waare,
wie es scheint, wirklich noch nach der Urmethode der Höhlenmenschen hergestellt, oder es ist der Finger ersetzt
durch Röhrenstempel oder andere Stempelsormen.

Unser modernes populärTopfornament — sowohl gemaltes als reliefartig eingetieftes ist — abgesehen
von gewissen Anklängen an klassische Ornamentation — noch identisch mit dem ältesten nachweisbaren
Ornament, welches, wie wir sahen, größtentheils aus der Benützung der Flechtmodelle bei der Töpferei her-
vorging. Die Abdrücke des Flechtwerkes scheinen übrigens zun: Theil auch bei der Tonception der ersten Idee
anderer Verzierungen durch Ein und Abdrücke mitgespielt zu haben, z. B. bei jenem charakteristischen Ornament
durch Spiraleindrücke mit Bronzenadeln, das sich bis heute -— in den Formen etwas vergrößert — erhalten hat. —

Ich eile zum Schluß. — In der engsten Beziehung zu der textilen Kunst und zur Keramik steht in den
ältesten Zeiten der Lulturentwickelung Europa's auch die Baukunst. Die aus Zweigen und Aesten zwischen
pfählen geflochtenen Hürdenwände wurden entweder nur innen, so daß das Flechtwerk äußerlich sichtbar blieb,
oder von beiden Seiten mit Lehm belegt. Das technische Verfahren bei der Herstellung eines Hauses und eines
Topfes ist also principiell vollkommen das gleiche und wir können uns nicht wundern, wenn auch die Orna-
mentirungsweise sich aus beiden, in der Folge so weit auseinandergehenden Gebieten, als im Principe verwandt
erweist. Wir haben Reste alter Wohnungen gefunden — durch Brand hart gewordene und nun ebenso wie die
Topfscherben fast unverwüstliche Lehmklumpen.

Sie lassen auf das deutlichste, wie die oben erwähnten alten Topsscherben, nur natürlich weit gröber, die
Eindrücke des Flechtwerkes, welches ihnen einst als Halt diente, erkennen.

Aus unseren Betrachtungen ergibt sich, daß wir uns die alten Höhlenbewohner des mittleren und west-
lichen Europa's nicht mehr als jene kaum vom Affen sich unterscheidenden Wilden denken dürfen, wie sie uns
von einigen Vorkämpfern einer speculativen modernen Naturphilosophie geschildert wurden. Ihre angestaunte,
primitive Kunstentwickelung steht keineswegs vollkommen unmotivirt da, sie zeigt sich uns getragen durch Er-
fahrungen und Fortschritte in den textilen und keramischen Künsten, den beiden Mutterkünsten aller Ornamentik.

35 C r i t von Friedrich pecht.

über die Preisbewerbung kunstgewerblicher Entwürfe für die vom bahr. Kunstgewerbeverein

für das Jahr f880 veranstaltete Verloosung.

IE Statuten unseres Bayerischen Kunstgewerbevereins schreiben demselben die alljähr-
liche Preisausschreibung für kunstgewerbliche Entwürfe und nicht minder den Ankauf
von besonders hervorragenden Arbeiten seiner Mitglieder zu einer Verloosung vor. Ist
dies bisher nur in einem den bescheidenen Mitteln des Vereins entsprechenden Alaße
geschehen, so war es bei der rasch wachsenden Bedeutung desselben, seiner Ernennung zum
Vorort sämmtlicher derartiger Vereine in Deutschland und dem beständigen zahlreichen
Zutritt neuer auswärtiger Mitglieder in allen Theilen des Reiches gewiß ein sehr glück-
licher Gedanke unseres Vorstandes Herrn v. Miller, eine solche für das ganze deutsche
Publikum berechnete Verloosung kunstgewerblicher Erzeugnisse in größerem Maßstabe zu
veranstalten. Einmal uni unserer unter den: Drucke der Zeitverhältnisse schwer leidenden Kunstindustrie eine
größere Hilfe zuzusühren, andrerseits aber auch zu versuchen, was deutsches Kunsthandwerk unter dem Schutze
des neuen Zolltarifs zu leisten vermöge. Die Verloosung ward also mit Bewilligung der k. Staatsregierung in
 
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