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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1879

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Heft 11/12
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Pecht, Friedrich: Bericht über die Preisbewerbung kunstgewerblicher Entwürfe für die vom bayr. Kunstgewerbe-Verein für das Jahr 1880 veranstaltete Verloosung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6905#0093

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einem Umfange projektirt, der es erlaubt, eine Summe von 80,000 Ulf. für Bestellungen und Ankäufe solcher Pro-
dukte zu verwenden. Selbstverständlich sollten aber diese Ankäufe nicht nur gewöhnliche, überall vorräthige kunst-
gewerbliche Arbeiten treffen, sondern die ganze Unternehmung so eingerichtet werden, um diese Bestellungen bei
besonders verdienten oder hoffnungsvollen Meistern machen zu lassen, und durch ein Konkurrenz-Ausschreiben in
größerem Maßstabe die dafür nothwendigen Zeichnungen und Modelle beschaffen zu können. Es sollte dadurch auch
den kunstgewerblichen Zeichnern in ganz Deutschland eine neue Anregung verschafft und zugleich eine Gelegenheit
geboten werden, sich eine Uebersicht über den Stand dieser Kräfte zu verschaffen. So ward denn im U7ai d. Z.
die Konkurrenz ausgeschrieben und eine Anzahl von 57 Preisen von 400 bis 30 Mark für dieselbe ausgesetzt.

Der Erfolg dieses Ausschreibens war ein wahrhaft glänzender und legte von dem außerordentlichen
Wachsen der kunstgewerblichen Produktion bei uns das erfreulichste Zeugniß ab. — Mehr als 800 Blätter
Zeichnungen und Modelle wurden eingefandt, und die Sichtung dieses über alle Erwartung großen Materials
beschäftigte die zur Preisvertheilung niedergesetzte jurv mehrere Wochen lang. Dieselbe bestand dem Programm
gemäß aus dem Vereinsvorstand, Erzgießerei-Inspektor v. Miller, einem Kunstliebhaber, Obersthosmarschall
Gras von Eastell, einem Maler Fr. pecht, Bildhauer Gedon und dem Architekten Direktor Lange von der
hiesigen Kunstgewerbeschule, endlich zwei Kunstindustriellen, den hh. Vergolder Radspieler und Lampen-
fabrikant hergl. Wir dürfen ihr das Zeugniß ausstellen, daß sie ihre schwierige Aufgabe mit ungewöhn-
licher Gewissenhaftigkeit gelöst hat.

Natürlich waren bei der Beurtheilung der Entwürfe in erster Linie die sich in der Komposition bekundende
schöpferische Kraft, die Schönheit und Neuheit, dann die Brauchbarkeit und endlich das technisch Ausführbare beson-
ders zu berücksichtigen. Ebenso mußten möglichst alle Branchen der Kunstindustrie bedacht werden. Darum
waren nach Ausscheidung der verhältnißmäßig überraschend geringen Zahl ganz schwacher Arbeiten auch die ziemlich
große von Photographien bereits fertig ausgeführter Artikel mit nur einer Ausnahme der Ankaufskommision zu
überweisen, für die sie auch ganz überwiegend bestimmt war. Der ausschließlich aus Originalzeichnungen und Mo-
dellen bestehende Rest gehörte aber, wie sich bald ergab, aus leicht begreiflichen Gründen ganz vorzugsweise
dem bei uns in Deutschland noch immer am meisten blühenden Fache der Schmnckgeräthe und Metallarbeiten
sowie der Meublesbranche an. Tapeten und textile Stoffe überhaupt waren, da sie sich zu Bestellungen wie An
käufen wenig eignen, auch sehr schwach vertreten, selbst die Stickerei, besonders aber Gobelins und Teppich-
fabrikation, ließ uns gegen Erwarten mit Entwürfen im Stiche. Die letztere wohl, weil sie meistens nach alten
Mustern arbeitet. Auch die Keramik und Glasfabrikation waren verhältnißmäßig wenig zahlreich, doch die

erstere wenigstens einigemale sehr gut besetzt. Viel Schönes boten die Lederartikel, dann die Einrahmungen,
Gehäuse, Albums und Einbände aller Art, während das Fach der eigentlichen Bronzen wohl ein Wachsen der
Produktion auswies, aber doch im Ganzen noch zurückblieb.

höchst erfreulich ist die Wahrnehmung, daß sich die gewerblichen Künstler allmälig der reinen Absur-
ditäten und barocken Erfindungen wie des groben Naturalismus enthalten, immer mehr die Form aus den
besonderen Eigenschaften des verwendeten Materials und der Bestimmung des Gegenstandes herleiten lernen, also
ein wachsendes Stilgefühl zeigen. — Allerdings war die Zahl der Entwürfe, in welcher auf den farbigen Effekt
Rücksicht genommen oder wo die Grundlage des Gedankens eine koloristische gewesen wäre, noch viel zu gering,
wenn sich auch unläugbar ein erfreuliches Wachsen des Farbensinnes zeigt. Aber gerade bei Schmuckgeräthen,
welche die mannigfachsten Materiale zu einem wohlthuenden Ganzen vereinigen sollten, war die Erzeugung des
Farbenreizes fast durchgängig viel zu sehr dem Geschmacke des Ausführenden überlassen, so daß man selbst bei
manchen der talentvollsten Entwürfe sich immer noch recht wohl denken konnte, daß sie in der Ausführung
lediglich ungenügender Berücksichtigung des koloristischen Elements halber immer noch verunglücken könnten.
Natürlich verstehen wir unter dem koloristischen Element auch alle jene feinen malerischen Wirkungen, die durch
die bloße verschiedene Behandlung des Stoffes, z. B. durch die Abwechslung zwischen polirten und matten Tönen,
glatten und rauhen Flächen, dann jene Erzielung feiner Farbeneffekte, die durch Verwendung verschiedener Metalle
nebeneinander erreicht werden. — Unsere kunstgewerbliche Zeichnung steht in dieser Beziehung noch viel zu häufig
auf dem Standpunkte unserer älteren Historienmalerei, die sich auch mit den Rythmus der Linien in ihren Kartons
begnügte, der dann beim Malen regelmäßig verloren ging, da sie sich die Dinge gar nicht in ihrer farbigen
Erscheinung gedacht hatte. Mit diesen Einschränkungen aber war, wie gesagt, eine höchst überraschende Zunahme
des allgemeinen Könnens, ja das Auftauchen einzelner eminenter Talente bemerkbar, deren Zeichnungen bis-
weilen eines alten Meisters nicht unwürdig erschienen.

Vor Allem aber war das entschiedene Wachsen des nationalen Tharakters in der Produktion mit Ver-
gnügen zu begrüßen, herrschten die verschiedenen Früh- und Spätrenaissancestile so entschieden vor, daß von andern
kaum mehr die Rede war, etwa die byzantinisch-orientalischen ausgenommen, so gehörte die Mehrzahl der talent -
vollen Entwürfe entweder der deutschen Renaissance direkt an oder trug doch sonst einen entschieden deutschen
Tharakter in ihrer Formbehandlung wie in ihrem Farbensinn. Dieser Charakter wird sich selbstverständlich
allemal dann geltend machen, wenn die Produktion eine wirklich freie, nicht mehr sklavisch fremde Muster nach.
 
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