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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1879

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Heft 11/12
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Pecht, Friedrich: Bericht über die Preisbewerbung kunstgewerblicher Entwürfe für die vom bayr. Kunstgewerbe-Verein für das Jahr 1880 veranstaltete Verloosung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6905#0094

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betende ist, dann sorgen unser Naturell und unser Material, sowie unsere sozialen Verhältnisse schon von selbst
dafür, ihr den nationalen Stempel auszudrücken. Wie sehr sich alle unsere jungen Talente, die ganze produktive
Kraft auf diese Seite neigen, zeigt sich an: besten darin, daß die preisgekrönten Entwürfe fast ausnahmslos
Produktionen dieser Richtung Zufällen, obwohl sie in der Jury keineswegs vorwiegend vertreten, oder irgend eine
Begünstigung derselben beabsichtigt war.

Die Jury als solche glaubte von einer schriftlichen Motivirung ihrer Entscheidungen um so mehr ab-
sehen zu müssen, als ein solcher Rechenschaftsbericht bei der ungeheueren Menge des Eingesandtcn wie selbst der
ausgesetzten Preise von Vorneherein zur Oberflächlichkeit verurtheilt gewesen wäre. Machte sich doch bei der
öffentlichen Ausstellung sämmtlicher Entwürfe, wie sie unter außerordentlich großem Antheil, besonders der Fach-
genoffen, aber auch des Publikums stattgefunden, das Bedauern, so viele Verdienste nicht belohnen zu können, so
geltend, daß noch weitere 500 Mark auf den Ankauf von Zeichnungen verwendet wurden. Indeß dürfte vor
Allem das allmälige Erscheinen der besten preisgekrönten Entwürfe in unserem Blatte den Ausstellern wie dem
Publikum einen mehr als ausreichenden Ersatz für einen blos schriftlichen Bericht bieten.

Im Vorstehenden glauben wir wenigstens das Gesammtresultat der Ausstellung sowohl als die allgemeinen
Gesichtspunkte annähernd richtig angegeben zu haben, von denen sich die Jury bei ihren Entscheidungen leiten
ließ. Diese waren um so sachlicher, als die Iurymitglieder, selber sehr verschiedenen Geschmacksrichtungen an-
gehörend, sich eben deshalb bald darauf reduzirt sahen, lediglich den allgemeinen Kunstwerth der Erzeugnisse in
Betracht zu ziehen, bei dessen Beurtheilung die Zweckmäßigkeit und Ausführbarkeit allerdings uni so mehr in
Betracht kommen mußten, als etwas eigentlich Lebensfähiges ohne Erfüllung dieser beiden Bedingungen nur schwer
entsteht. Es hat sich denn auch nach der Preisvertheilung und Untersuchung der Namen gar bald ergeben, daß gerade
die besten Entwürfe und Modelle großentheils von solchen Künstlern herrührten, die auch die Ausführung selber
zu besorgen im Stande waren, also recht eigentlich aus der Technik und dem Material heraus und nur für sie
komponirt hatten.

Auf das Einzelne näher einzugehen, müssen wir uns hier schon daruni versagen, als derartige Aus-
führungen ziemlich fruchtlos erscheinen müßten, wenn man ihnen nicht die Abbildung des besprochenen Gegen-
standes gleich an dis Seite setzen kann. Diese letzteren selber werden die Entscheidungen der Jury bei ihrem all-
mäligen Erscheinen am besten rechtfertigen, und zugleich unseren Lesern ein überaus interessantes Material zur
Benützung bieten.

Es dürfte dabei allerdings auffallen, daß die einfachen Geräthe und Meubles unter den Preisen ver-
hältnißmäßig selten vertreten sind, obgleich das Preisausschreiben den diesfallsigen Arbeiten eine ganz besondere
Berücksichtigung widmete. Ein paar Leuchter, Krüge u. dgl., dann einige einfachere Meubles find fo ziemlich
Alles, was in dieser Beziehung vorhanden. Wir glauben die Erklärung dieser Thatsache darin zu finden, daß
einfach schöne Formen, wie sie z. B. die antiken Thongefäße, einzelne Geräthe u. dgl. zeigen, gar nicht eigentlich
erfunden werden, sondern dadurch entstehen, daß unter den unzähligen, die versucht wurden, sich eben nur die
schönsten und zweckmäßigsten behaupteten und nach und nach alle anderen verdrängten. Neberdies auch selbst diese
einen guten Theil ihrer stilvollen Schönheit erst der durch Jahrhunderte, ja Jahrtausende fortgesetzten Erzeugung
verdanken. Fängt nach Schiller alle Kunst überhaupt erst bei der Verzierung an, so gehören zur Schönheit
jedenfalls auch Mannigfaltigkeit und Kontraste, was bei sehr einfachen Formen und Farben, wenn auch keines-
wegs unmöglich, doch sehr viel schwerer zu erreichen ist. Es verhält sich mit diesen genau wie mit den Sprich-
wörtern •— jener Weisheit auf der Gaffe, von der auch kein Mensch weiß, wo sie herrührt und die doch die
höchste ist.

Gehen wir nun zu der Klassifikation der prämiirten Arbeiten über, so finden wir allerdings, daß
München selber die pälfte der Preise davontrug, was sich vielleicht durch die Thatsache am besten erklärt, daß
es auch allein so viele Künstler zählt, als Berlin und Wien zusammen, also hier freilich ein größerer Fond von
künstlerischen Talenten aller Art zusammenströmt, die sich gelegentlich der Industrie widmen. Nächst München
nimmt Berlin indeß den zweiten Platz ein. Nach diesen beiden kömmt Nürnberg, dann Dresden, Rom, pam-
burg, Pforzheim, Mainz ic. — Den Fächern nach zerfallen die prämiirten Entwürfe in: Schmucksachen und

Geräthe aus Edelmetallen \2, Sonstige Metallgeräthe \ 5, Meubles 13, Leder- und portefeuillearbeiten 7,
Stickerei und sonstige textile Arbeiten 7, Keramische und Glasarbeiten 5.

Ist damit freilich nur eine fehr schwankende Tharakteristik gegeben, so wird aber um so besser gezeigt,
daß sich die verzierende Kraft gelegentlich auch der verschiedensten Materiale bedienen kann, wie denn einzelne
Zeichner für fast alle gearbeitet haben.

Immerhin glauben wir aber, daß das Gesammtresultat unserer Konkurrenz schon darum ein sehr befrie-
digendes genannt werden muß, weil es unwiderleglich darthut, daß wir in unserer besseren Produktion vom Joche
der Fremdherrschaft in Sachen des Geschmackes uns völlig frei gemacht haben, was nur höchst vortheilhaft auf
die noch zurückgebliebene Masse derselben wirken kann und muß. Denn die erste Bedingung des Fortschrittes
ist, daß inan auf eigenen Beinen stehen kann! Unter Unabhängigkeit und Originalität ist aber nicht zu verstehen,
 
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