Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1879

DOI Heft:
Heft 5/6
DOI Artikel:
Vermischte Mittheilungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6905#0050

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
s- ^6 -4

Vermischte Mittheilungen.

Mittheilungen aus dem bayer. Aunstgewerbeverein.

Auszug aus dem Bericht der I. Kommission über
die Abendschule des bayerischen Kunstgewerbe-
vereins. (Wintersemester ; 878/79.) Die Abendschule
des bayerischen Kunstgewerbevereins wurde im vergangenen
Lferbst am November eröffnet. Dieser gegen sonst verspätete
Termin hatte seine Ursache in der im vergangenen Jahre er-
folgten Neuorganisation des Vereins, in der verspätet erfolgten
Neubesetzung der ersten Lehrerstelle, sowie in der Vornahme von
Verbesserungen in dem einen der beiden Zeichnungssäle. Im
Ganzen hatten sich 7Y Schüler inskribirt, von welchen 60 in der
5chule blieben. Die Zahl der Neueingetretenen belief sich aus
50; die übrigen waren schon in früheren Jahren inskribirt worden.
Die Anzahl der Schüler nach den verschiedenen Berufszweigen
war folgende:

2\ Maler, Dekorationsmaler und Vertreter der gra-
phischen Künste,

;o Bildhauer und Modelleure,

6 Bauzeichner, Maurer und Zimmerpaliere,

;7 Metallarbeiter,

7 Tapezierer, Vergolder, lfafner und Wachszieher.

Zu Anfang des Semesters waren etwa 40 Schüler der

I. Klaffe des verrn Fritzsche und etwa so Schüler der II. Klasse
unter Leitung des perrn Brochier zugetheilt. In der I. Klaffe
befanden sich die Anfänger in größerer Anzahl; es wurden Lon-
touren nach Vorlagen und nach Gyps gezeichnet und ferner
fortschreitend schattirte Zeichnungen geliefert, kferr Fritzsche
hielt von Zeit zu Zeit kurze Vorträge über darstellende Geo-
metrie mit Aufzeichnungen auf der Tafel, welche die Schüler in
kleinen Taschenheften nachzeichneten; endlich versuchten sich vor-
geschrittenere Schüler in Federzeichnungen und Arbeiten mit dem
Pinsel.

In der II. Klaffe wurden die Schüler in Loritouren und
ausgeführten Zeichnungen nach ornamentalen und figürlichen
Gypsvorlagen und in Federzeichnungen nach alten Vorbildern
geübt. Auch in Tuschzeichnungen und im Komponiren wurden
Versuche gemacht. Jeden Montag hielt Ejerr Brochier kleinere
Vorträge über Stillehre.

Die Klasseneintheilung hat sich im Allgemeinen gut bewährt
und könnte auch insofern in Zukunft beibehalten werden, als
die Anfänger in die erste Klaffe einzureihen find; jedoch sollten
neben ihnen auch gereiftere Schüler Platz finden, da es sich ge-
zeigt hat, daß durch letztere ein nicht zu entbehrendes Element
der Anregung und der Aneiferung für die Jüngeren geschaffen
wird.

Die Gegenstände des Lehrplanes können in der Folge noch
eine Ausdehnung erfahren. Die Schüler dürften sich in ein-
fachen Darstellungen mustergiltiger Gesimse und Profile von
Vauptformen im Allgemeinen, von Gefäßen u. dgl. üben. Es
wird inöglich werden, jede Woche einmal Projektionslehre zu
geben; ferner ließen sich für vorgeschrittene Schüler Uebungen
in der Erfassung und Darstellung einzelner Gegenstände ihres
Faches, in werkzeichnungen und im Zeichnen nach Vorlagen
für bestimmte Gewerbtreibende, wie für Schreiner, Schlosser rc.
anstellen.

Die neu angeschafften Lehrmittel haben den wesentlichen
Bedürfnissen entsprochen; doch ist deren Vermehrung zu wünschen;
einzelne Gyxsabgüffe sowie Fachvorlagen für Schreiner, Metall-
arbeiter rc. mögen für die Abendschule noch erworben werden.

Die Ausstellungshalle des bayer. Lunstgewerbe-

vereiNS. wir haben in unserem letzten Bericht auf die er-
freuliche Thatsache hingewiesen, daß das Ausstellungsbedürfniß
unter unseren Kunsthandwerkern im wachsen begriffen ist. Seit-
dem sind in die Ausstellungshalle wieder viele neue Gegenstände
gebracht worden, welche zum Theil an den Schaufenstern zur

Betrachtung anreizen. vor den Schaufenstern versammeln sich
fortwährend sehr viele Menschen, welche sich an den oft überaus
malerischen Zusammenstellungen der verschiedenartigsten kunst-
gewerblichen Erzeugnisse vergnügen, von Möbeln, Decken,
Vorhängen, Majoliken, Gläsern, Metallgefäßen, Uhren, Schmuck-
sachen u. s. w. treffen die mannigfaltigen Farben, deren Wirk-
ungsweise durch das verschiedene Material und durch die Formen
der genannten Gegenstände bedingt ist, das Auge und so wird
das harmonische Zusammenspiel von Formen und Farben eine
wahre Augenweide für das schaulustige, doch nicht immer kauf-
lustige Publikuni. So scheint denn allmälig die auf früheren
Weltausstellungen von deutscher Seite so schauderhaft vernach-
läßigte Pflege der Ausstellungskunst in ihr volles Recht ein-
gesetzt zu werden.

weitaus die meisten der in der Ausstellungshalle befindlichen
Möbel, mögen sie auf Bestellung gearbeitet sein oder nicht, sind
für die reichere oder einfachere Ausstattung von Räumen im
Renaiffancegeschmack bestimmt. Es vergrößert sich ja in er-
staunlicher weise die Zahl Derjenigen, welche eine Renaiffance-
stube haben möchten, worunter vom gegenwärtigen publikuni
in der Regel eine Stube mit waudvertäfelung, Polzplafond und
entsprechender Einrichtung verstanden wird. Ist dieses Begehren
als Modesache oder als eine tiefer im volksgemüth wurzelnde
Geschmacksrichtung zu betrachten? Vielleicht als beides. Der
Nachahmungstrieb, der unzertrennliche Begleiter der Mode, ist
sicher mit im Spiel, aber auch die nationale Vorliebe für das
Material des kfolzes mit seinem warmen und xhantasieerwär-
menden Ton. So koinmt es, daß viele, welche in den sie um-
gebenden Räumen einen poetischen Anhauch verspüren möchten,
sich in ihre kalte und prosaische Backsteinbehausung ein beson-
deres kfolzgehäuse als ihren sie mächtig anheimelnden Lieblings-
raum stellen lassen. Es ist ihnen dort heimatlicher zu Muthe,
als in den übrigen Räumen.

Es fehlt dem Berichterstatter nicht an Belegen für die eben
behauptete Thatsache, und es wäre sehr wünschenswertst, wenn
von den Betheiligten weitere Mittheilungen gemacht würden.
Möge sich der Leser für jetzt mit folgenden Belegen begnügen.
Der Kunstschreiner verr Wenzel Till hat iin vergangenen Jahr
allein zehn Renaissancestuben mit wandvertäfelung, kfolzplafond
und Möbeln für Münchener Adels- und Bürgerhäuser geliefert,
kferr pofmöbelfabrikant Anton Pöffenbacher, welcher jahraus
jahrein mehrere Zimmereinrichtungen in Arbeit hat und trotz
dieser überaus ungünstigen Zeit gegen hundert Arbeiter be-
schäftigt, vollendete im vorigen Jahre für perrn Meißner in
Leipzig einige reich und vornehm ausgestattete Renaiffancestuben,
welche in seiner Werkstätte zu sehen waren. Aus derselben
werkstätte gingen auch die Theile einer Zimmereinrichtung her-
vor, welche vor Kurzem in unserer Ausstellungshalle die all-
gemeine Aufmerksamkeit auf sich zogen. Die Vertäfelungen und
Möbel des Speisezimmers, welches die Villa einer kunstverstän-
digen Familie am Rhein zu schmücken bestimmt ist, sind aus
italienischem Nußholz gearbeitet. An der einen längeren wand
stehen zwischen den drei Fenstern mit kräftigen Säulen versehene
Konsolen, über welchen aus reichbekrönten Rahmen die Spiegel
erglänzen. Der Fensterwand gegenüber wird zur einen Seite
eines grünen Gfens der hier ausgestellte Prachtschrank zu stehen
kommen, welcher das Linnenzeug und Tafelgeschirr bergen soll;
auf der anderen Seite sieht man eine große Doppelthüre mit
reicher Verkleidung und Bekrönung. An der dritten schmäleren
wand befindet sich der Eingang zum Erker, welcher ebenfalls
in unserer Ausstellungshalle zu sehen war. Der Vorhang, welcher
den Erker abschließt, hängt an einem schönen, von Karl Mora-
delli gearbeiteten Lunettengitter; die Felder, welche das letztere
innen und außen umgeben, sind von perrn Professor Ferdinand
Barth mit Malereien geschmückt. Im Erker stehen zwei ge-
polsterte Bänke und ein Tisch; der Plafond des stimmungsvollen
 
Annotationen