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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1884

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Friedrich, C.: Ueber Holzschnitzerei, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7028#0063

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Siebmacherschienen, Zündhölzchen, Bindfaden, Kaffee-,
Gewürz-, Apotheker- und Federbüchschen, trchreibzeuge,
Zündholz- und Nadelbüchschen, Rußbüttchen, Buchbinder-
späne, Schuhzwicker, Backtröge, Mulden, Schüsseln, Teller,
Eß- und Kochlöffel, Quirlen, Schaufeln, Salatbestecke, Heu-
gabeln, Sensengestelle, Ander, Kän:n:e, Kin:psel, Rechen,
Spaten-, Schaufel-, hacken-, handsäge-, hamnrer-, Stemm-
eisen-, Handfäustel-, Feilen- und Löffelstiele, Messer- und
Gabelhefte, Bleistifthülsen, Leuchter, Laternen, Trinkbecher,
Hauben-, Mützen- und Perrückenstöcke, Malzen, holzschuhe,
Leisten, Wanduhren, Stiefelhölzer, Flachsbrechen, Flachs-
hecheln, Sättel, Kummete, Zöche, Flintcnfchäfte, Dreschflegeln,
Schlitten, Schiffsknie, Kugeln, Kegeln, Keile, Spinnräder
mit Gestellen, haspeln, Spindeln, Tabaksdosen, Tabaks-
pfeifen, Radschuhe, Gehstöcke, Körbe, Schwingen, Dauben,
Fußböden, Achsen, Felgen, Speichen, Kutschen und Lhaisen,
Schiebkarren, Pflüge, Schrauben, Armbrüste, Vogelkäfige,
Formschneiderei und Schnitzarbeit überhaupt, Lpielwaaren,
^saß-, Kufen- und Geschirrreifen, Deichseln, Langwinden,
Besen, Hopfenstangen, weinpfähle, Bohnenstecken, Feucr-
und Blumenschwämme u. f. w. Diese flüchtige Aufzählung
Sintzel's, welche sich noch bedeutend vermehren ließe, zeigt,
welchen Reichthum der bayerische Wald besäße und daß
derselbe allein hinreichte, die Bevölkerung anständig und
dauernd zu ernähren und zu beschäftigen. -0 aber wird
dort gegenwärtig, außer Zündholzdraht, Zangen, Rechen,
wenig Erhebliches geleistet.

An der Oberpfalz besteht bereits eine Schnitzschule zu
Roding. Die von derselben zur Ausstellung gebrachten
Gegenstände lassen von der wirksanckeit der Schule nur
Erfreuliches erwarten. Auch in: Rhöngebirge existirt eine
^^lzfchnitze in Bischofsheim a. Rhön, welche in die
dortige Holzindustrie nach und nach mehr künstlerisches
Leben bringen wird. So ist in ganz Bauern überall ein
reges Streben erwacht; an allen Orten sucht man das Ver-
fäumte nachzuholen und selbst in die unscheinbarsten Dinge
wieder Schick und Geschmack zu bringen, voran steht in
dieser Beziehung Nürnberg.

Man sagt, daß die Holzschnitzerei nach Nürnberg von
Berchtesgaden her gekommen sei. Es ist wahr, die Berch-
tesgadener hatten schon im Zahre \577 eine Niederlage
^rer holzwaarcn in Nürnberg und im 4. Zahrzehnt des
vorigen Zahrhunderts ließen sich aus Berchtesgaden ver-
triebene Protestanten in der waldreichen Gegend von Alt-
dorf bei Nürnberg nieder. Aber soviel diese zum Aus-
schwunge der Nürnberger Schnitzkunst beigetragen haben
mögen, ins Leben gerufen haben sie dieselbe nicht erst. Den
Nürnbergern lag die Schnitzkunst überhaupt gleichsam in:
Blute. Schon im Jahre *570 werden Nürnberger Spiel-
waaren erwähnt und zehn Jahre später hören wir bereits
von Bildschnitzern dortselbst. Tin gewisser Mathias Ebner
handelte bereits zwischen mit kurzen waaren

"uch Lyon und im \5. Jahrhundert stand in Nürnberg die
Drechslerei schon in hoher Blüthe. Als daher die oben
erwähnten Protestanten aus Berchtesgaden nach Nürnberg
kamen, fanden sie für ihre Schnitzereien ein tüchtig herge-
ncbtetes Feld. Seitdem ist Nürnberg und Fürth in dieser
^Ziehung weltberühmt geworden. Eine kritische Beur-
mrilung als Kunsterzeugnisse vertragen die betreffenden Er-
zeugnisse allerdings noch nicht durchgehends; aber sie haben

eine große Bedeutung auf industriellem Gebiete; denn mit
ihnen wird ein Zahresumsatz von s,200,000Mk. erzielt, und
auch nach der künstlerischen Seite hin werden bereits von
vielen Firmen rühmenswerthe Anstrengungen gemacht, um
höheren Anforderungen gerecht zu werden und so ihren
Produkten außer dein Vortheil der Billigkeit noch jenen
der Schönheit anzuhesten.

Von Nürnberg aus soll die Spielwaarenfabrikation
bereits in: Zahre \270 nach Sonneberg und Umgebung
im Meiningischen verpsianzt worden sein.") Die große
Handelsstraße von der freien Reichsstadt Nürnberg nach
Norden und Westen führte an Sonneberg vorüber und da
mochte es wohl sein, daß Nürnberger Kaufleute frühzeitig
die Geschicklichkeit der Sonneberger sahen und derselben eine
gewisse Richtung gaben; geschnitzt selbst scheint man aber
in der dortigen Gegend schon seit Alters her zu haben und
es hat sich diese Schnitzkunst nicht bloß auf figürliche Sachen
beschränkt, sondern wie in Berchtesgaden, in: bayerischen
Walde, in: Rhöngebirge u. s. w., auch Gegenstände des
gewöhnlichen Pausbedarfes, Schneeschaufeln, Kübeln, Mul-
den, polzschuhe, Salzbüchsen, Lichtspäne, Schachteln u. dgl.
geliefert. Als die Fabrikation immer mehr zunahm, zogen
Sonneberger Kaufieute hinaus und gründeten in Lübeck,
Riga, Stockholm, London und Moskau Niederlagen und
Verkaufsgeschäfte für die Fabrikate ihrer Primat. Ein-
zelne dieser Spielwaarengeschäfte haben einen Jahresumsatz
von p/z—2 Millionen Mark und die Spielwaaren-Zndu-
strie nährt den größten Theil der Einwohner von Sonne-
berg und die Bevölkerung der umliegenden Orte: Zuden-
bach, Steinheide, püttengrund, Schwarzbach, Steinbach und
Lauscha. Die Reihe der Tausende von Gegenständen,
welche dort erdacht und erzeugt werden, ist man kaun: zu
übersehen im Stande. Ein einziges Spielzeug, die Arche
Noah's, zählt f02 geschnitzte Thiere. Diese Spielsachen
unterliegen, wie alle Dinge der Welt, der Mode; jedes
Jahrhundert brachte andere neue Sachen, als Kinder-
schwerter, Nußknacker, Schnarren, Kukuke, Polztrompeten,
Pferde und Puppen. Zn: letzten Zahrzehnt des vorigen
Zahrhunderts waren die Leierkästen, Mühlen u. s. w. mit
beweglichen Figuren, z. B. zwei Böcke, welche die Köpfe
zusammenstießen, sehr Mode und ändern sich die Lieblings-
sachen der Kinder von Zahrzehnt zu Zahrzehnt. Gegen-
wärtig hat die Spielwaarenfabrikation einen solchen Nm-
sang angenommen, daß zahlreiche Reisende für dieses Ge-
schäft nöthig sind.

Seitdem in Sonneberg die Preise des polzes sehr hoch
gestiegen sind, kann die dortige Pausindustrie kaum n:ehr
mit der sächsischen Spielwaaren-Zndustrie in den
Gebirgsorten Seifen, Waldkirchen, Olbernhau, Grünhainichen
u. f. w. konkurriren, obwohl auch diese unter sehr gedrückten
Verhältnissen arbeitet. Auch hier krankt die Schnitzerei an
den zu hohen Polzpreisen, obgleich seitens der Regierung
das Möglichste gethan wurde, um die Spielwaarenindustrie
konkurrenzfähig zu n:achen. Den Todesstoß aber erhalten
alle diese Zndustrien durch die unersättliche pabgier der
Kommissionsgeschäfte, welche nacheinander reich werden,

;4) Zeitschrift für Drechsler, Elfenbeingraveure und Holzbildhauer,
kferausgegeben von L. A. Martin und L. Sxitzbarth. Leipzig J878,
Hr. ;2, S. 6 ff.
 
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