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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Bode, Wilhelm von: Die amerikanische Konkurrenz im Kunsthandel und ihre Gefahr für Europa
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0015

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zehnten. Aber die älteren amerikanischen
Sammler waren von anderem Schlage wie die
modernen; sie nutzten, wenn sie in Europa
waren, jede Gelegenheit, die sich ihnen bot,
um sich über Kunst zu orientieren und Kunst-
werke, deren Erwerbung sie nicht an die
grosse Glocke zu hängen pflegten, an sich zu
bringen. Schon vor dreissig Jahren begegnete
man in Italien bei Händlern, Künstlern und
Sammlern, bei Bildschnitzern, Vergoldern,
kleinen Bankiers und den zahlreichen anderen
Handel- und Gewerbetreibenden, die neben-
bei verschämt Kunsthandel trieben, einzelnen
dieser stillen „busy mencc, die über anscheinend
hohe Forderungen weniger erschreckt waren als
wir Europäer und rasch zuzugreifen pflegten;
manches gute Stück ist uns auf diese Weise
entgangen und nach Amerika gewandert. So
hat Quincy A. Shaw seine reichhaltigen Samm-
lungen zusammengebracht, mit denen der
hochbetagte Kunstfreund seine kleine Villa
vor Boston ausgeschmückt hat. In ähnlicher
Weise hat Henry Marquand gesammelt, der
jüngst verstorbene treffliche Mann, dem New-
York sein Metropolitan Museum verdankt,
der seine schöne Bildersammlung mit Meister-
werken von Rembrandt, Rubens, A. van Dyck,
Hobbema, Ruisdael, P. Cristus u. a. sowie die
reiche Sammlung von Antiquitäten aller Art
schon bei Lebzeiten dem Museum geschenkt
hat. Die eigentümlichen Verhältnisse, die in
den achtziger und im Anfang der neunziger
[ahre zahlreiche Kunstwerke aller Art, nament-
lich alte Gemälde in Paris und London zur
Versteigerung oder in den Handel brachten,
haben dann andere Amerikaner mit Glück
ausgenutzt, indem'sie bereitwillig etwas höhere
Preise zahlten wie sie damals noch in Europa
Mode waren. So hat Henry Havemeyer in
wenigen Jahren die Gemälde zusammen-
gebracht, welche sein originelles von Louis C.
TifFany eingerichtetes Haus in New-York
schmücken; darin ein Saal mit neun Bildnissen
von Rembrandts Hand. So ist auch die Samm-
lung von Mr.Yerkes in New-York und von Mr.
Gardner in Boston entstanden, dessen Witwe
eifrig'weiter sammelt und dafür einen Palast in
Boston bauen lässt, der als öffentliches Museum

bald der Stadt übergeben werden soll. Die
Sammlungen Ryerson und Henderson in Chi-
cago, Angus in Montreal u. a. verdanken ihre
Entstehung der gleichen Art des Sammeins;
alle diese Besitzer haben ihre Wahl in der
Regel selbst getroffen, bringen den Kunst-
werken in ihrem Besitz Verständnis und Liebe
entgegen.

Sehr frühe hat man drüben die neueren
französischen Bilder, namentlich aus der Schule
von Fontainebleau, zu sammeln begonnen und
zwar aus wahrer Freude daran; denn damals
galt es selbst in Paris nicht für anständig, ein
Bild dieser Schule zu besitzen oder gar in den
Wohnräumen aufzuhängen. Quincy A. Shaw,
der unter zahlreichen Gemälden der Meister
von Barbizon auch an hundert Bilder, Pastelle
und ausgeführte grosse Zeichnungen von Millet
besitzt, erzählte mir von seinem grössten Ge-
mälde Millets, einem Schweineschlachten mit
lebensgrossen Figuren, das Bild habe einen
eigentümlichen Affektionswert für ihn. Als
er vor einigen vierzig Jahren eine Zeit lang
in Paris lebte, habe er dieses Gemälde im
Fenster einer kleinen Kunsthandlung gesehen.
Das Bild habe ihn ausserordentlich gepackt;
immer wieder habe es ihn zu dem Bilde ge-
zogen; nach einigen Tagen habe er es gekauft.
Wegen seines bedeutenden Umfanges konnte
er das Bild aber nicht in seiner Kammer auf-
hängen, wo er seine übrigen Schätze der Meis-
ter von Fontainebleau geborgen hatte, son-
dern er musste es in den Salon bringen. Von
jedem Freunde, der ihn besucht habe, hätte
er nun Spott und Vorwürfe darüber hören
müssen, so dass er das Bild schliesslich wieder
zurückgegeben habe. Mehr als dreissig Jahre
später habe er das Bild zufällig im Kunsthandel
in Amerika wiedergefunden und damals so-
fort um etwa die zwanzigfache Summe des
ersten Kaufpreises an sich gebracht, als Er-
innerung und gewissermassen als Strafe für
seine frühere Schwäche. — Was man nicht nur
bei Shaw, sondern auch bei anderen Sammlern
und im Museum zu Boston, was man in New-
York und Chicago und sonst in den Vereinigten
Staaten an Meisterwerken der französischen
Schule des neunzehnten Jahrhunderts bei-
 
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