MANET
VON
EMILE ZOLA*
EDOUARD Manet ist mittelgross, eher klein führt das Leben eines Jeden, nur mit dem
als gross. Sein Haar und Bart sind blass Unterschiede, dass er vielleicht noch fried-
kastanienbraun, die Augen, dicht bei einander licher und noch besser erzogen ist, als die
und tief, haben jugendliches Leben und Feuer. Andern.
Der Mund ist charakteristisch dünn, beweg- Was mich in Manets Bildern zuerst frap-
lich, etwas spöttisch in den Mundwinkeln, piert, ist eine sehr zarte Richtigkeit in den
Das ganze Gesicht von einer feinen, intelli- Beziehungen der Töne unter einander. Früchte
genten Unregelmässigkeit zeigt Biegsamkeit, sind auf eine Tafel gesetzt und heben sich
Kühnheit, Verachtung des Banalen und der von einem grauen Hintergrunde ab. Es gibt
Dummheit. Wenn wir vom Gesicht zum unter den Früchten, je nachdem sie mehr oder
Wesen kommen, so finden wir in Manet einen minder nahe sind, Farbenwerte, die eine ganze
Menschen von einer ausgesuchten Liebens- Tonleiter bilden. Wenn ihr von einer Note
Würdigkeit, sehr höflich, von vornehmen ausgeht, die heller als die wirkliche Note ist,
Allüren und sympathischem Eindruck. m'üsst ihr einer Leiter folgen, die immer heller
Der Künstler hat mir eingestanden, dass er bleibt. Und umgekehrt muss es sein, wenn
leidenschaftlich gern in die'Gesellschaft geht ihr von einer dunkleren Note ausgeht. Das
und eine geheime Wollust bei der parfümier- ist, was man, glaube ich, das Gesetz der Va-
ten und leuchtenden Zartheit der Soireen leurs nennt. Ich kenne in der modernen
empfindet. In die Gesellschaft treibt ihn ohne Schule niemanden ausser Corot, Courbet und
Zweifel seine Liebe für breite und lebhafte Edouard Manet, die ständig diesem Gesetze
Farbströme, aber es ist in seinem Inneren auch gefolgt sind, wenn sie Figuren malen. Die
ein angeborenes Bedürfnis nach Vornehmheit Werke gewinnen dabei eine seltsame Rein-
und Eleganz, und dieses mache ich mich an- lichkeit, eine grosse Wahrheit und einen
heischig, ebenfalls in seinen Werken zu finden, grossen Reiz.
So ist also sein Leben. Er arbeitet hart- Edouard Manet geht gewöhnlich von einer
nackig und die Zahl seiner Bilder ist schon Note aus, die heller als die in der Wirklich-
beträchtlich. Er malt, ohne entmutigt zu keit existierende Note ist. Seine Malereien
werden, ohne müde zu werden, und schreitet sind blond und leuchtend, von einer soliden
geradeaus, seiner Natur gehorsam. Nach der Bleichheit. Das Licht fällt weiss und breit
Arbeit geniesst er die ruhigen Freuden des auf die Gegenstände und beleuchtet sie auf
modernen Bürgers, geht in Gesellschaften und eine sanfte Art. Es gibt da nicht den ge-
----------- ringsten erzwungenen Effekt. Die Personen
* im jähre tB66 schrieb Zola Salonberichte für das und die Landschaften baden sich in einer
„Evc-nement". Die Aufsätze, mit denen er der erste war, der heiteren Klarheit, Welche dasBild völlig erfüllt.
von Manet begeisterte Darstellungen brachte, erregten allge- TXT • i i \ c • j«
meines Aufsehen, doch wurde von den Abonnenten der Heraus- Was midi danach frappiert, ISt die 110t-
geber der Zeitung gezwungen, opportunistisch zu sein und durch wendige Folge der genauen Beobachtung des
einen zweiten milden „Salon"beurteilcr die Schärfe des Urteils „ j TI? , fn ir.. 1 i..
von Zola auszugleichen. Zola hat seine Aufsätze über den Salon Gesetzes VOn den Werten. Der Kunstler laSSt
von 1800 mit einer Manetsmdie vereint, die er im Jahre 18^7 sich irgend einem Gegenstand gegenüber
schrieb und in dem Bande „mes Haines" veröffentlicht. An , . °. . , . ° ,. ,. ° °„
Arbeiten über Malerei gibt es von ihm noch einen Salon - durch Seine Allgen leiten, die dieSdl Gegeil-
bericht, den er dreissig Jahre nach seinem ersten Auftreten, im stand [n breiten Tinten bemerken, Welche
Jahre 189Ö verfasste. Der Band, der die Aufsätze vereinigt, . . „. a c . , . _.
erscheint unter dem Titel „Malerei" in diesen Tagen. gegenseitig EintlUSS aUT einander nehmen. Elll
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VON
EMILE ZOLA*
EDOUARD Manet ist mittelgross, eher klein führt das Leben eines Jeden, nur mit dem
als gross. Sein Haar und Bart sind blass Unterschiede, dass er vielleicht noch fried-
kastanienbraun, die Augen, dicht bei einander licher und noch besser erzogen ist, als die
und tief, haben jugendliches Leben und Feuer. Andern.
Der Mund ist charakteristisch dünn, beweg- Was mich in Manets Bildern zuerst frap-
lich, etwas spöttisch in den Mundwinkeln, piert, ist eine sehr zarte Richtigkeit in den
Das ganze Gesicht von einer feinen, intelli- Beziehungen der Töne unter einander. Früchte
genten Unregelmässigkeit zeigt Biegsamkeit, sind auf eine Tafel gesetzt und heben sich
Kühnheit, Verachtung des Banalen und der von einem grauen Hintergrunde ab. Es gibt
Dummheit. Wenn wir vom Gesicht zum unter den Früchten, je nachdem sie mehr oder
Wesen kommen, so finden wir in Manet einen minder nahe sind, Farbenwerte, die eine ganze
Menschen von einer ausgesuchten Liebens- Tonleiter bilden. Wenn ihr von einer Note
Würdigkeit, sehr höflich, von vornehmen ausgeht, die heller als die wirkliche Note ist,
Allüren und sympathischem Eindruck. m'üsst ihr einer Leiter folgen, die immer heller
Der Künstler hat mir eingestanden, dass er bleibt. Und umgekehrt muss es sein, wenn
leidenschaftlich gern in die'Gesellschaft geht ihr von einer dunkleren Note ausgeht. Das
und eine geheime Wollust bei der parfümier- ist, was man, glaube ich, das Gesetz der Va-
ten und leuchtenden Zartheit der Soireen leurs nennt. Ich kenne in der modernen
empfindet. In die Gesellschaft treibt ihn ohne Schule niemanden ausser Corot, Courbet und
Zweifel seine Liebe für breite und lebhafte Edouard Manet, die ständig diesem Gesetze
Farbströme, aber es ist in seinem Inneren auch gefolgt sind, wenn sie Figuren malen. Die
ein angeborenes Bedürfnis nach Vornehmheit Werke gewinnen dabei eine seltsame Rein-
und Eleganz, und dieses mache ich mich an- lichkeit, eine grosse Wahrheit und einen
heischig, ebenfalls in seinen Werken zu finden, grossen Reiz.
So ist also sein Leben. Er arbeitet hart- Edouard Manet geht gewöhnlich von einer
nackig und die Zahl seiner Bilder ist schon Note aus, die heller als die in der Wirklich-
beträchtlich. Er malt, ohne entmutigt zu keit existierende Note ist. Seine Malereien
werden, ohne müde zu werden, und schreitet sind blond und leuchtend, von einer soliden
geradeaus, seiner Natur gehorsam. Nach der Bleichheit. Das Licht fällt weiss und breit
Arbeit geniesst er die ruhigen Freuden des auf die Gegenstände und beleuchtet sie auf
modernen Bürgers, geht in Gesellschaften und eine sanfte Art. Es gibt da nicht den ge-
----------- ringsten erzwungenen Effekt. Die Personen
* im jähre tB66 schrieb Zola Salonberichte für das und die Landschaften baden sich in einer
„Evc-nement". Die Aufsätze, mit denen er der erste war, der heiteren Klarheit, Welche dasBild völlig erfüllt.
von Manet begeisterte Darstellungen brachte, erregten allge- TXT • i i \ c • j«
meines Aufsehen, doch wurde von den Abonnenten der Heraus- Was midi danach frappiert, ISt die 110t-
geber der Zeitung gezwungen, opportunistisch zu sein und durch wendige Folge der genauen Beobachtung des
einen zweiten milden „Salon"beurteilcr die Schärfe des Urteils „ j TI? , fn ir.. 1 i..
von Zola auszugleichen. Zola hat seine Aufsätze über den Salon Gesetzes VOn den Werten. Der Kunstler laSSt
von 1800 mit einer Manetsmdie vereint, die er im Jahre 18^7 sich irgend einem Gegenstand gegenüber
schrieb und in dem Bande „mes Haines" veröffentlicht. An , . °. . , . ° ,. ,. ° °„
Arbeiten über Malerei gibt es von ihm noch einen Salon - durch Seine Allgen leiten, die dieSdl Gegeil-
bericht, den er dreissig Jahre nach seinem ersten Auftreten, im stand [n breiten Tinten bemerken, Welche
Jahre 189Ö verfasste. Der Band, der die Aufsätze vereinigt, . . „. a c . , . _.
erscheint unter dem Titel „Malerei" in diesen Tagen. gegenseitig EintlUSS aUT einander nehmen. Elll
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