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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Neuerwerbungen der Berliner Nationalgalerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0069

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NEUERWERBUNGEN DER BERLINER
NATIONALGALERIE

(VERGLEICHE DAZU DIE BILDER SEITE 45, 59)

US der Sammlung Fiedler
ist die Nationalgalerie
durch Bilder von Arnold
Boecklin und Anselm
Feuerbach bereichert wor-
den. Von Boecklin stammt
das lebensgrosse Bildnis
der Frau Dr. Fiedler. Sie steht, ein Veilchen-
bouquet in der linken Hand haltend, unter
einer blauen, von weissen Wolken durch-
zogenen Luft vor einer Marmormauer, die
im Schatten liegt. Eine Drossel schlägt; und
hinter der Mauer sehen wir in eine helle
Frühlingslandschaft hinaus. Die Zeichnung
der Figur lässtzu wünschen; sie ist im Verhält-
nis zum Kopf zu klein. Auch die Hände sind
zu klein; man bemerkt es namentlich an der
vom Beschauer entfernteren Linken, die ja
kleiner sein musste, wenn auch nicht so klein,
wie sie bei Boecklin geraten ist. Aber selbst
diese Hände, in denen bei all ihrer Steifheit
ein wirkliches Leben ist, stören nicht. In
weichem Schimmer blinken auf der rechten
Hand goldne Ringe, sie harmonieren mit dem
Lichtstreifen, der an dem Stamme einer Pappel
niedergleitet, und mit dem Licht, das auf
den Blüten ruht, die hinter der beschatteten
Mauer aufleuchten. Die Gewandung der Figur
ist in lebhaften Farben gehalten — jenseits
der Mode, wie Boecklin denn überhaupt in
durchaus eigenem Geschmack, mit einer ge-
wissen Entfernung von der Kultur mit Mode-
formen und -färben schaltete, so dass sich
von ihm gemalte moderne Erscheinungen, ab-
gesehen von Allem, auch an der Art der
Kleidung als Boecklinsche Gestalten dokumen-
tieren. Das packendste Beispiel für die Beson-
derheit, die der Meister in dieser Beziehung
hat, bietet sein sehr buntes basler Selbstpor-
trät. Das Bild der Nationalgalerie ist vom
Jahr 1870. Der Ausdruck sammelt sich hier

ganz im Kopfe. Frühlingsgefühl ist in ihm. In
ruhigem Träumen und bewusstem Geniessen,
beseligt durch die Schönheit der Welt, blickt
die blonde Frau aus dem Bilde heraus, ein
wenig aufwärts. Wenn es bei Boecklin häufig
ist, dass Frühlingsstimmungen zum Vorschein
gelangen, so eröffnet sich insbesondere eine
Parallele mit dem ein Jahr später als Frau
Dr. Fiedlers Porträt entstandenen sehr schönen
Bilde, das unter dem Namen „Faun, Syrinx
blasend und drei weibliche Gestalten, davon
eine Blumen streuend" im „Künstlergütli" in
Zürich ist; die in Zürich dargestellte weibliche
Figur, die beseligt aus dem Bilde hcrausblickt,
lässt die selbe Stimmung in uns erklingen, wie
die auf dem Bildnis dargestellte Erscheinung,
nur dass die Stimmung auf dem Bilde der
Nationalgalerie, dem gestellten Thema ent-
sprechend, massvoller ist. Von den Bedin-
gungen eines Porträts ist ausgegangen, und
nur unter der Oberfläche, wenn auch un-
aufhaltsam, dringt Boecklinscher Geist durch.

Die Leser, die das Bild nur aus einer Nach-
bildung kennen lernen, werden kaum zu einer
Vorstellung von der Schönheit gelangen.

Auf dem Bilde von Feuerbach „Idylle von
Tivoli" sitzt links, im Profil gesehen, ein sin-
gendes kleines Mädchen auf einem Fclsblock;
in der Tiefe unter ihr begleitet ein brünetter
Knabe ihren Gesang auf der Mandoline. Zur
Rechten erblickt man den Wissersturz des
Anio. Das Bild ist im Jahre 1867 entstanden
und entspricht dem aus der Galerie Schack
bekannten, ursprünglich „Ricordo di Tivoli"
genannten Bilde, das von dem Jahr 1868 ist.
Es ist eins der stillen Bilder Feuerbachs ohne
viel Farbe. Für Feuerbach bildeten derlei Werke
eine Episode während der Thätigkeit an
grösseren Schöpfungen. Die „Idylle" fällt in
die Zeit, als Feuerbach am ersten „Gastmahl
des Plato" arbeitete. ]-f#

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