Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

DOI article:
Heilbut, Emil: Die Schwarz-Weiß-Ausstellung der Berliner Secession
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0093

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
wie diese Studie zu einer Tänzerin auf einer
„Komposition" Verwendung gefunden hat,
und es wird sichtbar, dass es dem Künstler
nicht gelang, uns das Modell vergessen zu
machen und ihm eine Stellung zu geben, bei
der wir denken: sie tanzt. Sehen wir die
Tänzerin in Otto Greiners sehr akademischer
Komposition an, so wird es uns nicht mög-
lich, uns etwas anderes zu sagen als: eben
in dieser Körperhaltung hat ein Modell für
den Künstler auf irgend einem Atelierpodium
gestanden, eine Stellung im Tanze, die eben
und eben das Modell noch, ohne zu ermüden,
aushalten konnte. Eine pot-au-feu-Kunst,
eine Surrogatkunst entsteht bei Greiner; eine
Kunst, die dem unbegrenz-
ten Fleisse möglich ist; eine
Kunst ohne Feuer und Geist;
eine Kunst, die nicht auf der
Vorstellung fusst.

Völlig bezeichnend schon
für den Künstler sind Kom-
positionen wie das Kantate-
programm, Leipzig, i 803,
mit einer Chansonnette. Sie
ist so wenig Chansonnette
als möglich! Ohne Chic —
das widerwärtige Wort ist
hier unvermeidlich — ohne
Grazie, vor allem leblos. Sie
ist nicht eine Chansonnette,
sondern ein Modell (das
überdies zufällig für eine
Chansonnette schlecht ange-
zogen ist). Auf demselben
Niveau steht das „Schiess-
diplom", eine Lithographie,
die Greiner im Jahre 1894
angefertigt hat, Die Uni-
formen haben mehr Falten
als Form. Aber besonders
bezeichnend für den Künst-
ler sind seine grösseren Kom-
positionen, „das Urteil des
Paris", „Golgatha" oder
„Odysseus und die Sirenen",
Werke, an denen er mit un-
ermüdlicher Ausdauer gear-

beitet hat. Nehmen wir als Typus sein Urteil
des Paris 1

Hermes stellt vor: hier Paris, da die drei
Göttinnen. Sie sind in einer unmöglichen Land-
schaft, Modelle mit Zufallsgesichtern und mit
Bewegungen, die den Modellen eigen sind.
Hermes macht die Gebärde des Präsentierens,
natürlich ist es nicht parodistisch gemeint,
etwa wie bei Offenbach, — sondern es ist nur
ungeschickt. Er ist ein ganz elegant gebauter
langer Bursche, keine Ahnung Überkommtuns
von einem Gütterboten. So wenig wie er sind
Paris und die drei Göttinnen aus den Zufalls-
erscheinungen der Modelle heraus gelangt.

Im Grunde sind diese Kompositionen Grei-



LUDWIG VON HOFMANN, AKTSTUDIE (ZEICHNUNG)

Sx

;4
 
Annotationen