Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

DOI Artikel:
Schlittgen, Hermann: Erinnerungen an Wilhelm Leibl
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0132

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Viertes Heft. Inhalt: Hermann Schlittgen, Erinnerung an Wilhelm Leibl . . Emil Heilbut, neuere
Arbeiten von Max Liebermann .. Max J. Friedländer, der neue van der Goes des berliner Museums..
Emil Hannover, die Sammlung Hirschsprung .. Chronik: Berliner und Münchener Secession. Berichte
aus München, Wien, Paris, London .. Bücherbesprechungen: Wilhelm Bode, Tiepolo .-. Werner Weis-
bach, Spiel des Lebens.

ERINNERUNG AN WILHELM LEIBL

VON

HERMANN SCHLITTGEN

IM Sommer 1892 mussteichnachAibling,um
Moorbäder zu nehmen. Aibling war sonst
ein langweiliges Nest; aber bei den Künstlern
hatte es einen guten Ruf: Leibl wohnte dort,
seit vielen Jahren. Ich war von jeher ein
grosser Verehrer von Leibls Kunst gewesen;
als junger Mensch nach München gekommen,
gehörte ich zu einem kleinen Kreise, dem schon
damals (es war im Jahre 1880) Leibl ein ganz
Grosser war. Auch mein späterer langjähriger
Aufenthalt in Paris, wo ich die moderne Kunst
an der Quelle studieren konnte, that dieser
Liebe keinen Eintrag; im Gegenteil: als ein
„rocher de bronce" stand Leibl gross und
einzig in meiner münchner Erinnerung.

Doch wusste ich von seinem Misstrauen
gegen Kollegen; man hatte ja so viel über
seine Menschenscheu erzählt. Deshalb kam
nur auch gar nicht die Idee, dass ich ihn viel-
leicht kennen lernen würde.

Den Abend nach meiner Ankunft in Aibling
promenierte ich auf dem Markt, freute mich
über das originelle alte Rathaus mit dem ge-
mütlichen hohen Dachstuhl, da kommt Sperl
aus einer Seitengasse auf mich zugeschossen,
Sperl, der einzige langjährige Freund und
Kamerad Leibls. „Kommen Sie doch mit auf
den Keller, Leibl ist auch da und wird sich
sehr freuen!" Das erlaubte ich mir stark zu
bezweifeln, aber Sperl wurde dringend, stellte
mir mit Sicherheit in Aussicht, dass ich nicht
schlecht behandelt werden würde und so ging
ich mit.

Die Bekannten Leibls waren schon ver-
sammelt, aiblinger Honoratioren und Bürger,
unter andern ein kunstsinniger Herr Justizrat
und Baron, der später über Leibl einen aus-
gezeichneten kleinen Nekrolog im Aiblinger
Tageblatt veröffentlicht hat, und der Kreis-
tierarzt, dessen Freundschaft mit Leibl ihm ein

123
 
Annotationen