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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Hannover, Emil: Die Sammlung Hirschsprung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0157

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hand fremden Geistesbestandteilen und von
ganz undänischem Wesen. Juel kann mit dem
deutschen Porträtmaler Graff verglichen wer-
den. Denselben Fortschritt, den Deutschland
diesem verdankt., verdankt Dänemark Juel:
die Ausrottung des falschen Anstandes und
der unechten feinen Manieren des Rokoko
aus der Porträtkunst, das Bevorzugen des na-
türlichen Menschen. Doch Juel war in seiner
Technik ganz Europäer, gebot über die Art
der Meisterschaft, wie sie ein Porträtmaler
noch im i 8. Jahrhundert draussen in Europa er-
warb, die aber mit dem Jahrhundert zusammen
ausstarb, gegen dessen Ende das alte Atelier-
Handwerk und seine Geheimnisse in Miss-
kredit kamen und schnell vergessen wurden.
Der Vater der eigentlich dänischen Kunst
wurde Eckersberg, und mit ihm beginnt
darum Hirschsprungs Sammlung. Sie zeigt
Eckersbergs Entwicklung von der Zeit an, da
er unter Davids Leitung den Respekt vor dem
Naturstudium kennen lernte und „die sparta-
nischen Knaben" malte, bis zu seinen letzten
Jahren. Hier ist sein Porträt Anna Maria
v. Uhdens (der Geliebten Thorwaldsens) und
sein lebensgrosses Bildnis von Frau Schmidt,
ein wahres Paradigma einer dänischen Haus-
mutter aus dem Jahr 1820, ein wahres Para-
digma auch von Eckersbergs Verständnis eines
dänischen Charakters. Das Volk der Dänen
hat sich immer durch seine Bürgerlichkeit und
seine schlichte Alltagsform gekennzeichnet.
Aber nie war die Bürgerlichkeit einfacher
und die Form alltäglicher, als zu der Zeit,
deren Menschen Eckersberg geschildert hat,
und nie wurden die Menschen von einem
Künstler geschildert, der selbst mehr Bürger
war. Daher denn der potenziert dänische
Charakter in seinen Porträts. Es ist eine jener
Entdeckungen, zu denen Eckersberg von
seinem Drange geführt wurde, auf allen Ge-
bieten der Wahrheit auf den Grund zu kom-
men, und es versteht sich von selbst, dass
diese Entdeckung eine der grössten ist, welche
die dänische Kunstgeschichte zu verzeichnen
hat. Doch die Ursprünglichkeit, die in frühen
Kulturstadien die Entdecker in der Kunst
schafft und ihre Anschauung zu der später

üblichen macht, führte ihn zu mehr Ent-
deckungen als jener einen des dänischen Typus:
Er ist der Entdecker auch von Dänemarks
See und Land; die Grundakkorde im Kolorit
der dänischen Natur hat er zuerst vor allen
mit entscheidender Sicherheit angeschlagen.
Sie ist allerdings in Prosa gehalten, seine
Malkunst; doch in einer Prosa von ungewöhn-
licher innerer und innerlicher Schönheit.
Sie ist schön, die Form seiner Kunst, weil sie
natürlich ist. Sie ist natürlich dadurch, dass
sie der schlichte Ausdruck seines schlichten
Geistes ist, und auf dem genauen Einver-
nehmen zwischen der Art seines Geistes und
der Art seiner Form beruht die grosse, un-
erschütterliche Wahrheit seines Künstler-
charakters.

Diese selbe innere Wahrheit ist das Funda-
ment, auf dem die Schule ruht, die Eckers-
berg gestiftet hat.

Auf die Vertretung dieser Schule hat Hirsch-
sprung besonderes Gewicht gelegt, während
er mit Recht weniger Gewicht darauf gelegt
hat, die Künstler zu zeigen, die sich mit ihren
mehr allgemein europäischen Tendenzen selbst
ausserhalb der Entwicklung stellten. Eine
Ausnahme machte er mit C. A. Jensen,
einem Porträtmaler von eminentem Talent,
der aber zuweilen ein zu geringes Gefühl von
der Verantwortung hat, die mit dem Besitz
des Talentes verbunden ist; er ist ein geist-
reicher Porträtskizzierer, dessen Auffassung so
treffsicher und dessen Pinselführung so brillant
sein konnte, dass er manchmal an keinen Ge-
ringeren als Frans Hals erinnert. Er lebte un-
gefähr zu derselben Zeit wie Eckersberg und
übte auch einigen Einfluss auf dessen Schüler.

Am Ende der zwanziger und im Anfang
der dreissiger Jahre stand diese Eckersbergsche
Schule in ihrer reichsten Blüte. Die besten
damaligen Schüler waren Rörbye, Roed,
Bendz. Constantin Hansen, Köbke und Mar-
strand. Eckersberg lehrte diese jungen Maler,
dass das erste Gebot der Malkunst laute: un-
verbrüchliche Treue in der Wiedergabe. Er
lehrte sie ferner, dass es nicht auf das „Was"
der Darstellung, sondern auf ihr „WTie" an-
komme. Er lehrte sie endlich, dass nur das,

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