dass Alt die exakte Beobachtung zum Genie er-
hoben hätte. Noch ist die krakauer Vereinigung
polnischer Künstler „Sztuka" zu nennen. Im Gegen-
satze zur älteren Generation hat die moderne
Gruppe nationalen Wünschen entsagt. Eine inter-
nationale, oft weltmännische Note ist ihnen eigen
und nur selten, in schwer zu formulierenden
Eigenschaften offenbart sich die polnische Art.
Alle diese jungen Polen schlägt aber der alte Josef
Chelmonski, der für Wien eine Entdeckung
war. In einem 1875 gemalten Bilde „Im Vor-
werk" erinnert er an Maner, über den Schnee
schreitende „Rebhühner" stehen neben den besten
Liljefors, undin einemBauernbild, „In der Kirche"
überragt er an Einheit des farbigen Empfindens
wie an Gefühl für den Rhythmus der Linie den
czechischen Bauernmaler Uprka.
Das 'österreichische Museum für Kunst und Industrie
eröffnete seine Winterausstellung. Die von Eitel-
berger ins Leben gerufene staatliche Anstalt hat
bekanntlich die Aufgabe, die Kunstc;ewerbetrei-
benden und Handwerker zu künstlerischer Arbeits-
weise, das Publikum zu gutem Geschmack zu
erziehen. Der gegenwärtige Direktor, Hefrat
v. Scala erblickt seinen Beruf jedoch darin, nicht
auf die Schönheit und Zweckdienlichkeit einer
Sache zu achten, sondern auf ihren Marktwert,
nicht auf ästhetische Zeitströmungen zu sehen,
vielmehr auf die günstige Konjunktur. Darum
rät er jetzt, da unsere Hof kreise und der ihnen
nahestehende Adel sich immer ablehnender gegen
die modernen Kunstbestrebuntjen verhalten, den
grossen und kleinen Tischlern zur Retro-
spektivität. Nun besitzen bei uns Hof und Adel
in ihren Palästen und Schlössern historisch stil-
gemässes Mobiliar in überreicher Fülle und
brauchen deshalb die Kopien nicht. Durch die
Ausstellung kann es aber geschehen, dass jener
grosse Teil der vermögenden Bürgerschaft, deren
Anschauungen über Geschmack, Vornehmheit und
guten Ton verzerrte Nachäffungen der höfischen
und adeligen Anschauungen sind, jetzt ein ver-
stärktes Verlangen empfindet, sich historisch ein-
zurichten. Die Erwägung des Hofrates v. Scala
kann demnach aller österreichischen Geschmacks-
bildner Liebesmüh verloren gehen lassen und die
dem Museum gehorsamen Kunstgewerbler noch
einmal dahin zurückbringen, wo man stand, ehe
in Europa die Wiedergeburt des Kunstgewerbes
begann.
&
Zum Schlüsse sei des künstlerischen Streites
gedacht, der die weitesten Kreise unserer Stadt
erregt: es handelt sich um den Bau des städti-
schen Museums, das neben Fischer v. Erlachs
schöner Karlskirche errichtet werden soll.
Zwischen zwei Entwürfen, deren Schöpfer Otto
Wagner undFriedrich Schachner sind, soll nun
die Entscheidung fallen. Während Schachner der
aus Elementen der Renaissance und des Barock
zusammengestellten Fagade die Zweckmässigkeit
des Baus opfert, geht Wagner vom Zweck aus,
der die innere Einrichtung wie die äussere Ge-
staltung bedingt. Heiss wird der Kampf von
beiden Parteien geführt, persönliche und politische
Motive mengen sich ein; und nur den Wenigsten
ist bewusst, dass wir ein Vorgefecht zu jenen
Kämpfen erleben, die bald überall entbrennen
werden, zu dem grossen Ringen zwischen der
alten vermodernden Stilarchitektur und dem auf-
blühenden modernen Zweckbau.
Hugo Haberfeld.
PARIS
Die neuen festen Ölfarben von
Caro-Delvaille — Trouillebcrt —
Das Tagesereignis bildet noch die schon vor
einiger Zeit erfolgte Erfindung neuer fester Öl-
farben, die dem Maler Raffaelli verdankt wird.
Die Farben werden bekanntlich in diesem Ver-
fahren wie Pastellstifte gebraucht. Das Verfahren
soll - nach der Ansicht des Erfinders - die Technik
revolutionieren; indem das Mischen des Tones
auf der Palette aufhört, soll der Maler dahin ge-
langen, auch die flüchtigeren Wahrnehmungen,
die er macht, zu fixieren, und ausserdem sollen
die Farben ein Maximum von Kraft und Glanz
haben. Über dieses Thema erging man sich in
sich steigernden Variationen.
In den sechs Monaten seitdem ist die Ein-
Raflaclli — Die Malereien von
Schüler und Fälscher von Corot.
bildungskraft höher und höher gestiegen; um den
Erfinder gruppierte sich etwa ein Dutzend von
Künstlern, deren Enthusiasmus nicht schweigen
konnte.
In den Räumen Durand-Ruels sah man dann
etwa fünfzig Bilder von Malern wie Besnard,
Thaulow, Cesbron, Carrier-Belleuse, van Holle-
beke. Impressionistische Bilder neben traditio-
nellen; selbst Bilder, die wie Öldrucke aussahen.
Man sah gute und sehr schlechte Bilder. Wenn
man die guten ansah, so konnte man zu der
Meinung gelangen, dass die neue Pasta'der Färbung
etwas Glänzenderes und Wärmeres gäbe, und sich
die neue Technik auch zur Wiedergabe so leichter
155
hoben hätte. Noch ist die krakauer Vereinigung
polnischer Künstler „Sztuka" zu nennen. Im Gegen-
satze zur älteren Generation hat die moderne
Gruppe nationalen Wünschen entsagt. Eine inter-
nationale, oft weltmännische Note ist ihnen eigen
und nur selten, in schwer zu formulierenden
Eigenschaften offenbart sich die polnische Art.
Alle diese jungen Polen schlägt aber der alte Josef
Chelmonski, der für Wien eine Entdeckung
war. In einem 1875 gemalten Bilde „Im Vor-
werk" erinnert er an Maner, über den Schnee
schreitende „Rebhühner" stehen neben den besten
Liljefors, undin einemBauernbild, „In der Kirche"
überragt er an Einheit des farbigen Empfindens
wie an Gefühl für den Rhythmus der Linie den
czechischen Bauernmaler Uprka.
Das 'österreichische Museum für Kunst und Industrie
eröffnete seine Winterausstellung. Die von Eitel-
berger ins Leben gerufene staatliche Anstalt hat
bekanntlich die Aufgabe, die Kunstc;ewerbetrei-
benden und Handwerker zu künstlerischer Arbeits-
weise, das Publikum zu gutem Geschmack zu
erziehen. Der gegenwärtige Direktor, Hefrat
v. Scala erblickt seinen Beruf jedoch darin, nicht
auf die Schönheit und Zweckdienlichkeit einer
Sache zu achten, sondern auf ihren Marktwert,
nicht auf ästhetische Zeitströmungen zu sehen,
vielmehr auf die günstige Konjunktur. Darum
rät er jetzt, da unsere Hof kreise und der ihnen
nahestehende Adel sich immer ablehnender gegen
die modernen Kunstbestrebuntjen verhalten, den
grossen und kleinen Tischlern zur Retro-
spektivität. Nun besitzen bei uns Hof und Adel
in ihren Palästen und Schlössern historisch stil-
gemässes Mobiliar in überreicher Fülle und
brauchen deshalb die Kopien nicht. Durch die
Ausstellung kann es aber geschehen, dass jener
grosse Teil der vermögenden Bürgerschaft, deren
Anschauungen über Geschmack, Vornehmheit und
guten Ton verzerrte Nachäffungen der höfischen
und adeligen Anschauungen sind, jetzt ein ver-
stärktes Verlangen empfindet, sich historisch ein-
zurichten. Die Erwägung des Hofrates v. Scala
kann demnach aller österreichischen Geschmacks-
bildner Liebesmüh verloren gehen lassen und die
dem Museum gehorsamen Kunstgewerbler noch
einmal dahin zurückbringen, wo man stand, ehe
in Europa die Wiedergeburt des Kunstgewerbes
begann.
&
Zum Schlüsse sei des künstlerischen Streites
gedacht, der die weitesten Kreise unserer Stadt
erregt: es handelt sich um den Bau des städti-
schen Museums, das neben Fischer v. Erlachs
schöner Karlskirche errichtet werden soll.
Zwischen zwei Entwürfen, deren Schöpfer Otto
Wagner undFriedrich Schachner sind, soll nun
die Entscheidung fallen. Während Schachner der
aus Elementen der Renaissance und des Barock
zusammengestellten Fagade die Zweckmässigkeit
des Baus opfert, geht Wagner vom Zweck aus,
der die innere Einrichtung wie die äussere Ge-
staltung bedingt. Heiss wird der Kampf von
beiden Parteien geführt, persönliche und politische
Motive mengen sich ein; und nur den Wenigsten
ist bewusst, dass wir ein Vorgefecht zu jenen
Kämpfen erleben, die bald überall entbrennen
werden, zu dem grossen Ringen zwischen der
alten vermodernden Stilarchitektur und dem auf-
blühenden modernen Zweckbau.
Hugo Haberfeld.
PARIS
Die neuen festen Ölfarben von
Caro-Delvaille — Trouillebcrt —
Das Tagesereignis bildet noch die schon vor
einiger Zeit erfolgte Erfindung neuer fester Öl-
farben, die dem Maler Raffaelli verdankt wird.
Die Farben werden bekanntlich in diesem Ver-
fahren wie Pastellstifte gebraucht. Das Verfahren
soll - nach der Ansicht des Erfinders - die Technik
revolutionieren; indem das Mischen des Tones
auf der Palette aufhört, soll der Maler dahin ge-
langen, auch die flüchtigeren Wahrnehmungen,
die er macht, zu fixieren, und ausserdem sollen
die Farben ein Maximum von Kraft und Glanz
haben. Über dieses Thema erging man sich in
sich steigernden Variationen.
In den sechs Monaten seitdem ist die Ein-
Raflaclli — Die Malereien von
Schüler und Fälscher von Corot.
bildungskraft höher und höher gestiegen; um den
Erfinder gruppierte sich etwa ein Dutzend von
Künstlern, deren Enthusiasmus nicht schweigen
konnte.
In den Räumen Durand-Ruels sah man dann
etwa fünfzig Bilder von Malern wie Besnard,
Thaulow, Cesbron, Carrier-Belleuse, van Holle-
beke. Impressionistische Bilder neben traditio-
nellen; selbst Bilder, die wie Öldrucke aussahen.
Man sah gute und sehr schlechte Bilder. Wenn
man die guten ansah, so konnte man zu der
Meinung gelangen, dass die neue Pasta'der Färbung
etwas Glänzenderes und Wärmeres gäbe, und sich
die neue Technik auch zur Wiedergabe so leichter
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