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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Scheffler, Karl: Möbel
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0230

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MOßEL VON I'LU.MET UND SAUVAGE. AUS DEM HOHENZOLLEKNKL'NbTÜEWEKBEHAUS

rischen Zierformen und überliess es dann, in
seiner steifen, praktischen Nacktheit, dem
Gebrauche; die kontinentalen Nutzkünstler
jedoch, die eben für ihre mehr aufs Plastische
zielende Tendenz nach Objekten suchten, be-
nutzten jede Gelegenheit, sich am Möbel in
artistischen Konstruktionsformen zu üben.
Der leitende Grundgedanke der modernen
Nutzkunst ist architektonischer Art. Aber
der allgemeine Trieb hat nicht sofort Betätig-
ung auf den Gebieten der Baukunst gesucht,
sondern er ist ganz langsam aus der Malerei,
über die Linienkunst zur gewerblichen Arbeit
aufgestiegen, um hier einstweilen zu stocken,
doch mit der deutlichen Absicht, einst zur
Baukunst fortzuschreiten. Es liegt nun in der
Natur des völlig seiner Gegenwart lebenden
Menschen, jede Thätigkeit für ein Endresultat
zu halten; so nur gewinnt er die hoffende
Kraft, an sich und sein Werk zu glauben.
Die Talente, die in grosser Anzahl der merk-
würdigen Architekturentwicklung aus dem
Geiste der Malerei bisher dienten, haben jedes-
m*l ihre Arbeit für das Ziel gehalten und

demgemäss gehandelt. Als die Künstler den
wichtigen Schritt von der Malerei zur In-
terieurkunst unternahmen, beim Möbel an-
langten, die ersten nützlichen und vor allem
die ersten plastischen Aufgaben zu lösen hatten,
glaubten sie ihr ganzes gesammeltes Bildner-
gefühl dieser Arbeit widmen zu müssen und
vertieften sich mit heiligem Eifer, blind für
alle Widersprüche, in die Probleme der Holz-
konstruktion. So sind wir, im Laufe des
letzten Jahrzehntes, in den Besitz von Möbeln
gekommen, die für alle Zeiten merkwürdig
sein werden. Ganz entflammt vom edelsten
revolutionärenTemperament,thaten die Künst-
ler, als wären noch niemals vorher gute Möbel
konstruiert worden. Gründlicher konnte man
nicht sein. Der Charakter des Holzes, so hiess
es, ist stets vergewaltigt worden; es gilt der
Natur des Materials zu folgen. Weiter ver-
kündete man: der Gebrauchszweck allein ist
ausschlaggebend, er bedingt die Konstruktion,
die Form der Teile und ihren Bezug zum
Ganzen; und dann: es genügt nicht, ein Möbel
als Handwerker vernünftig zu fügen, sondern

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