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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Sickert, Oswald: Anderthalb Jahrhunderte englischer Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0284

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ähnliche Unsicherheit im Motiv hat einen
anderen Effekt auf die Malweise von

Charles Shannon, einem der besten Maler im
„Neuen Englischen Künstlerklub". Wenn
Charles Shannon rechts und links nach einem
Motiv für sein Bild sucht, empfängt seine
Malweise eine gewisse Nachahmung von
Watts. Wundervoll arbeitet er nur, wenn
ihn sein Modell so erfüllt, dass er weder nach
Inhalt noch nach Motivierung sucht, wie es
in dem herrlichen Porträt „Die Dame mit
Cyclamen" der Fall ist.

Wenn der Besucher in Wolverhampton zu
den Arbeiten von Philip Wilson Steer kommt,
sieht er das Beste, was zur Zeit in England
geleistet wird. Gerne soll von vorn-
herein zugestanden werden, dass die acht
Bilder Steer's, welche aus verschiedenen Peri-
oden seiner zwanzigjährigen Schaffenszeit

stammen, nicht von jener Unfehlbarkeit der
alten englischen Meister zeugen, die das Er-
gebnis einer unumschränkten, sicheren und
zielbewussten Technik ist. Dass Philip Steer
diese Unfehlbarkeit abgeht, ist gleichbedeutend
mit der Thatsache, dass seine Bilder heute
und nicht vor hundert Jahren gemalt sind.
Von all den Künstlern, die ohne die Grund-
lage der Tradition gemalt haben, zeigt Philip
Steer die grösste Befähigung, Nachteile zu
vermeiden und Vorteile auszunutzen, welche
eine Periode der Regellosigkeit und Freiheit
mit sich bringt. Es ist eine alte Erfahrung,
dass sich nach einer solchen Zeit oft Manieriert-
heiten zeigen, die eher einen Rückschritt als
einen Fortschritt bedeuten. Steers Kunst,
welche sich stetig zu immer grösserer Aus-
drucksfähigkeit entwickelte, ist mit logischer
Konsequenz den verschiedenen Stadien gefolgt,
welche die erstaunliche Mannigfaltigkeit
seiner Sujets forderte.

P. W, STEER, PER SPIEGEL

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