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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Mackowski, Hans: Hans Baluschek
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0341

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HANS BALUSCHEK, VOR DER JAHRMARKTSBUDE

Der in das morbide Simpeln über Stimmung,
Farbenreiz und Ausdruck der Linie frech und
übermütig die Frage schleuderte:

Wat weet so 'n Fisch

von 'n jrünen Disch

wie 't zujeht hier bei uns vor 't neie Dhor?

Und abermals staunte man allgemein, als
sich durchaus kein fahrender Scholar, kein
Bohemien, sondern ein intelligenter, nach-
denklicher junger Mann aus den guten Kreisen
als Maler dieser gesellschaftlichen Unzulässig-
keiten vorstellte. Und dazu nicht einmal ein
spreeechtes Berliner Kind; denn er ist in
Breslau am o. Mai 1870 geboren. Wie kam
er in diese Stoffwelt? Die fünf Jahre
(1889—1894), die er auf der berliner
Akademie zubrachte, sind zwar keineswegs,
wie die Betrachtung seiner malerischen Aus-
drucksweise ergeben wird, spurlos an ihm
vorübergegangen; vielleicht darf man sogar
sagen, sie haben sich an ihm gerächt. Aber
in keiner Malklasse, in keinem Meisteratelier,
konnte ihm der Weg gewiesen werden, den
er, nach kurzem Irren auf der dürren Haide
des neuromantischen Symbolismus, mit be-
merkenswerter Selbstsicherheit gegangen ist.

Ihn bestimmten Jugendeindrücke, die, schon

in dumpfen Knabenjahren empfangen, über
den erwachenden Jüngling Gewalt errangen
und schliesslich nach einem unbewusst plan-
vollen Bummelleben zu künstlerischer Ge-
staltung drängten. Jenes Kindermädchen, das
ihn sehr gegen das Wissen und die besseren
Absichten der Eltern an die Vergnügungs-
stätten der Soldaten- und Kindermädchen-
sphäre führte, ist in diesem Falle der Musaget
seiner Kunst gewesen. Die geistige Luft-
schicht, in der sein künstlerischer Drang wuchs
und sich entfaltete, war in malerischer Hin-
sicht von alters her so gut wie sterilisiert, um
so reicher aber durchsetzt mit allerhand littera-
rischen Keimzellen.

Von Baluschek nämlich führt kein Weg
zurück zu denen, die vor ihm Berlins soziales
Leben künstlerisch gestaltet haben. Weit ab
bleibt Menzel auf einer Insel zeichnerischer
Vollkommenheit, von der aus er das moderne
Leben unter das Riesenfernrohr seiner geist-
reichen Beobachtung genommen hat. Noch
weniger kann der immer gut hohenzollernsche
Franz Krüger zu künstlerischer Pathenschaft
oder Ahnenwürde genötigt werden. Viel
weiter dürfen wir überhaupt nicht zurück-
schauen, denn erst die Zeit um das rote Jahr

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