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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0376

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PARIS

Die Aquarellisten und Pastellisten.

Beide Ausstellungen, alljährlich bei Georges
Petit wiederkehrend, waren auf den ersten Blick
bestechend, und darin durchaus einander ähnlich.
Sie hatten beide dieselbe vorherrschende Farben-
note: gelb, oder richtiger gelb und blau; sie bevor-
zugten beide die dekorative Wirkung der Farbe,
und die einzelnen Bilder waren so stark darauf
eingestellt, dass sie auch untereinander von einer
Aehnlichkeit zum Verwechseln waren. Wer in
beiden Ausstellungen vertreten war — und viele
waren das —, zeigte sich als Aquarellist wie als
Pastellist von der gleichen Seite. Man könnte
vom Aquarell und Pastell sagen, dass sie die
Wirkung des Oelbildes erstreben, und von dem
Oelbild, dass es die Leichtigkeit und Verve
des Pastells geben möchte. Dabei brauchte man
nicht einmal als unbewussten Ausdruck eines sol-
chen allgemeinen Zuges die Farbenstifterfindung
Raffaellis besonders zu bewerten, obgleich auch
dieses Zeichen der Zeit nicht ohne seine Deutbar-
keit hingenommen zu werden braucht.

Was in einem Ueberblick als allgemeines Zeichen
der beiden Ausstellungen zu starker Wirkung
kam, das zeigte sich bei näherem Zusehen nur
deutlicher als besonderes Symptom. Die Bilder
waren leer. Sie wirkten nur, sie sprachen nicht,
sie lösten nichts. Sie hatten nichts aufzuschliessen.
Es mangelte ihnen an Inhalt, eine innere Not-
wendigkeit lag in keinem. Sie waren gemalt, um
Wirkungen zu erfinden, Effekte hervorzubringen.
Sie standen darin zum Teil sehr hoch, weil die
malerische Technik überhaupt sehr hoch steht in
Paris. Sie kennt kaum Schwierigkeiten, vorhan-
dene Schwierigkeiten genügen ihr nicht. Sie
sucht sich Situationen und Wirkungen, direktes
und reflektiertes Licht, Uebergänge und Inein-
anderklänge, — Stoff- und Haut- und Haarwir-
kun^en für das Porträt, Farbengluten und Farben-
milderungen, Durchsichtigkeiten und Verschleie-
rungen in der Landschaft, die ans Unmögliche zu
reichen scheinen und immer höhere Anforde-
rungen an den Pinsel stellen und immer wieder
von neuem die Palette erproben. Man braucht
nicht Namen, nicht Bilder zu nennen. Es sind
nicht neue Namen aufgetreten, die Bilder haben
nichts Neues zu sagen gewusst. Man könnte als
allgemeines Zeichen finden: die Zeichnung hat
schon alles erreicht, sie hat sich für sich allein
ganz ausgegeben, sie ist eine Selbstverständlich-
keit geworden, in dem Sinn, dass sie nicht mehr
sucht, sondern beherrscht. Nun thut die Farbe
ihren Drang kund. Sie hat die vorklingende Note.
Sie hat sie ohne Grobheit und Wildheit. Sie hat
sie in einem gesteigerten Geschmack. Sie hat den

deutlichen Beiklang des Experiments und den un-
verkennbaren Vorklang der Technik, aber sie be-
hält noch den Zusammenklang mit der Linie. Sie
ist ohne Naturalismus, sie ist oft ohne Natürlich-
keit — es ist schon ein technisches Beherrschen in
ihrer inhaltlichen Unbeherrschtheit. Aber wo die
Technik einer Kunst so hoch entwickelt ist, muss
sie einen neuen Weg gehen, der ihrem Inhalt ge-
recht wird. Man sieht den Weg nicht bestimmt.
Man fragt sich, soll es zur Buntheit der Illumi-
nation hin führen — das elektrische Licht thut
nach dieser Seite seine Geltung kund — soll die
Künstlichkeit, eine neue Künstlichkeit derBeleuch-
tung, ganz und gar im Gegensatz zu der alten des
Ateliers, eine Prävalenz erhalten über die Natür-
lichkeit des Freilichts — soll die Farbensprache im
Gegenständlichen aufgehen oder im Ungegenständ-
lichen, von der Farbe selbst ungegenständlich Ge-
machten, zerfliessen und rein zur Dekoration des
Fleckes und der Flecken werden. Es wird einer
kommen, der darauf Antwort giebt. Unter denen,
die bei Georges Petit diesmal ausgestellt haben,
ist er nicht. Wilhelm Holzamer.

EINGELAUFENE BUCHER

(Besprechung vorbehalten)

Peltzer, Alfred, Über Malweise und Stil in
der holländischen Kunst. 179 Seiten. Heidelberg,
1003. Carl Winter. M. 5.—.

Lasius,Otto, Arnold Böcklin, Aus den Tage-
büchern (1884-1889) 141 Seiten, Berlin 1903,
Fontane & Co. M. 3.—.

Lange, Carl, Sinnesgenüsse undKunstgenuss.
100 Seiten, Wiesbaden 1903. J. F. Bergmann.

Keim, A. W, Über Mal-Technik. 449 Seiten,
Leipzig 1903. A. Foerster.

Jahrbuch der Gesellschaft hamburgi-
scher Kunstfreunde 1902. Hamburg. Lütcke
und Wulff.

Mac Coli, D. S., Nineteenth Century art. With
Illustrations. Glasgow 1902. Hochquart. James
Maclehose <k Sons.

H. Bulle, Klingers Beethoven und die farbige
Plastik der Griechen. 48 Seiten. München 1903.
F. Bruckmann.

Die Kunst, Sammlung illustrierter Mo-
nographien, herausgegeben von Richard Muther.
Band 9, Leonardo da Vinci, von R i c h ar d M u t h e r,
Band 10, Auguste Rodin, von Rainer Maria
Rilke, Band 11, die Ausläufer des Impressionis-
mus, von Julius Meier-Graefe, Band 12,
William Hogarth, von Jarno Jessen, Band 13,
der japanische Farbenholzschnitt, von Friedrich
Perzynski. Berlin, Julius Bard.

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