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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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Servaes, Franz: Die Wiener Kunstgewerbeschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0449

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zuletzt der gesamten Mübelbranche ge-
leistet.

Schulter an Schulter mit Moser geht Josef
HofFmann seinen Weg. Als Leiter einer
Architekturklasse hat er die beiden älteren
Kräfte, die neben ihm wirken, fast völlig in
den Hintergrund gedrängt, sodass sie sich ihm
mühsam akkommodieren müssen. HofFmann
ist minder reich, phantasievoll und beweglich
als Moser, aber dafür strenger, zuverlässiger
und systematischer. Er versteht die hohe
Kunst, Schlichtheit und Einfachheit mit trau-
licher Anmut zu vereinigen. Darum ist er
vor allem ein Meister des Interieurs, und, echt
wienerisch, will er, vom Interieur ausgehend,
nach und nach die gesamte moderne Archi-
tektur reformieren. In diesem Sinne erfolgt
auch die Anleitung, die er seinen Schülern
zuteil werden lässt. Vom Kleinen ins Grosse
vorschreitend, lässt er sie sich entwickeln.
Alle Details der Inneneinrichtung werden
ihrer Lösung zugeführt. Und daraus ergiebt
sich, mit einer gewissen Notwendigkeit; als
Schlusskrönung der Entwurf ganzer Villen
und Häuser. Damit treten wir in ein
weites grosses Gebiet ein, das den Umkreis
einer Kunstgewerbeschule fast schon über-
schreitet.

Ob eine kaum aufhaltbare Ueberschreitung
nicht überhaupt die Gefahr dieser wiener
mustergültigen Kunstgewerbeschule bildet? So

sehr man sich des Geleisteten und des ständigen
Wachstums freut, die ängstliche Frage lässt
sich doch nicht zurückdrängen: „Wo hinaus
solls mit alledem?" Man hat in Deutschland
kaum eine Vorstellung davon, welch eine
Fülle von Talent sich an dieser Schule zu-
sammendrängt, wie bei den Lehrern so auch
unter den Lernenden. Oesterreichs Menschen-
reichtum auf diesem Gebiet ist einfach staunen-
erregend. Dass das Land selber für sie eine
genügende Beschäftigung finden solle, ist ein-
fach ausgeschlossen. Schon haben einige
zwanzig Schüler und Schülerinnen als fertige
tüchtige Künstler die Anstalt in der letzten Aera
verlassen. Und wie bald werden neue zwanzig,
fünfzig, hundert ihnen folgen! Lauter ausge-
zeichnetes Material, und vorzüglich geschult!
Für kleine Anstellungen entschieden zu schade
und wahrscheinlich auch zu prätentiös! Wenn
auch vielleicht manchmal mit einem gewissen
Durchschnittsgeschmack begabt, so doch ge-
wiss der Mehrzahl nach zu selbständiger kunst-
schafFender Thätigkeit befähigt und berufen!
Also wohin damit? Doch die Welt ist gross,
und vermutlich wird wohl zunächst Deutsch-
land den guten Magen haben, um den edlen
Zufluss, den das Schwesterland bereit hält,
zu verdauen. *Deutschland giebt ja so viele
und tüchtige Kulturelemente an Oesterreich
ab. Hier ist ein Punkt, wo es von ihm zurück-
empfangen darf.

KLASSE JOSEF HOFFMANN, MODELL EINER VILLA (ANTON KLING)
 
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