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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0457

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satyrische liebenswürdig deckt, und die, in der
holländischen Kleinheit des Formats, immer noch
Bilder bleiben, während Bonnard in seinem
grösseren Format des „L'apres-midi bourgeoise"
— farbig allerdings ohne Ähnlichkeit mitVeber —
über die satyrische Zeichnung für ein Witzblatt
nicht hinauskommt und eine gewisse künstlerische
Impotenz, — und wenn es nur die des Olmalers
wäre! — die hinter all solchen Sachen steckt, ziem-
lich deutlich aufdeckt. Dieses Manko des Bild-
schaffens hat auchVallotton, vor dessen „Groupe de
portraits" man das Gemälde vergisst, um sich frei-
lich mit dem zeichnerischen und auch persönlichen
Gehalt der künstlerischen Darbietung zu beschäf-
tigen. Schliesslich dürfen die Unfertigkeiten und
ausdruckslosen Hölzernheiten, die neben Anderen
besonders Candin wie aus einem Missverstehen
alter primitiver Meister heraus executieren abge-
lehnt, oder höchstens für eine dekorative Scha-
blonentechnik, zuwartend behandelt werden. Alle
bis dahin behandelten Künstler fügen sich mit
Leichtigkeit zu einem Ensemble zusammen, in dem
das erschöpft ist, was das gegenwärtige Niveau
und allgemeine Charakteristikum der französischen
Kunst ausmacht. Sie sind nicht besondere Fälle.
Solcher finden sich nur wenige in den Salons, gar
nicht bei den „Artistes franc,ais". Unter den
Künstlern der „Beaux-Arts" seien Caro-Delvaille,
Le Sidauer, Avelot und ganz besonders Boutet de
Mouvel mit Nachdruck genannt.

Es sollte Zuloaga als fremdartigster Aussteller
vielleicht noch behandelt werden. Eine Einzel-
studie müsste erschöpfen, was sich einem vor den
Arbeiten des Spaniers aufdrängt. Doch kann hier
gesagt werden, dass man Zuloaga nicht ohne Ver-
gleich mit seinen früheren Werken betrachtet, und
dass man auch nicht von dem Eindruck des Sich-
wiederholenden und der Spezialität frei bleibt. Ja,
dass sich sogar die Empfindung einer leiseren oder
stärkeren Cariciertheit nicht ganz abweisen lässt.

W. Holzamer.

Unter dem netten Titel „Direkte . . . Steuern"
bringt der „Temps" die Mitteilung, dass der
Bürgermeister eines Vorortes von Paris, Neuilly,
den Entschluss gefasst hat, die Wände des Stadt-
hauses von Neuilly durch die Einwohner dekorieren
zu lassen. Die Einwohner sind Maler wie Dagnan-
Bouveret, Chartran, Gervex, Courtois, Aublet,
Dubufe, und ohne dass es der Kommune einen
Centime kosten wird, haben diese Maler sich
bereit erklärt, bis zum Jahre 1904 folgende Bilder
abzuliefern: Dagnan-Bouveret wird im Standesamt
„die antike Heirat" darstellen, Courtois „das
goldene Zeitalter" allegorisieren, Aublet wird an
den vier Wänden zwischen den Fenstern „die
Geburt", „die ersten Schritte", „das fleissige Kind"
und den „Jüngling" vorführen, endlich wird

Guillaume Dubufe (unter diesen Malern der
kleinste) das grösste Bild in Behandlung nehmen,
das Deckengemälde.

Der Tod des für die europäische Kunst unsag-
bar wichtigen James Mac-Neil Whistler hat
auch in Frankreich, wo er so lange Jahre gelebt hat,
tiefen Eindruck gemacht, man muss ja eingestehen,
dass durch die Leichtigkeit und Finesse zwischen
dem amerikanischen Wesen — Whistler war Ameri-
kaner — und dem französischen noch immer-
hin mehr Berührungspunkte sind als zwischen
dem Amerikaner und dem Engländer. Whistler
selbst gehörte sozusagen körperlich beiden Ländern
an: er hatte eine Behausung in der pariser rue
du Bac (einen entzückenden Gartenpavillon) und
ein seltsam schönes grosses Atelier in der pariser
Malerstrasse rue notre Dame des Champs und
besass ausserdem ein Haus in der londoner Vor-
stadt Chelsea. Er war übrigens trotz der allge-
meinen Meinung kein Amerikaner im wörtlichen
Sinne, da er als Sohn eines amerikanischen
Ingenieurs, der am Bahnbau in Russland beschäf-
tigt war, das Licht der Welt in St. Petersburg
erblickte. Als Jüngling kam er nach West-Point
in den Vereinigten Staaten, doch nicht um in
dieser Kriegsakademie Offizier zu werden, sondern
nur, um Kartenzeichner zu werden. Der Beruf
sagte ihm nicht zu und wir finden ihn bereits Ende
der fünfziger Jahre — im Jahre 1835' war Whistler
geboren — in Paris im Atelier Gleyres. Zu seinen
Mitschülern bei Gleyre — den Herman Grimm
in einem der unbewachtesten Momente seiner
Kritikerlauf bahn mit Arnold Böcklin (!!) ver-
glichen hat — gehörten damals E. J. Poynter, der
jetzige Direktor der Londoner Akademie, und der
verstorbene George du Maurier, der Verfasser
von „Trilby". Die damalige Schülervorbereitung
unterschied sich in der vorteilhaftesten Weise
von der heutzutage eingerissenen. Damals konnte
ein Schüler seine ersten Bilder nur ausstellen,
wenn ihm sein Professor die Erlaubnis gab, wir
begegnen darum in den ersten Porträts der da-
maligen Schüler, der Hermer, der Bonnat, der
Carolus-Duran, der Jules Lefebvre einem ausser-
ordentlich gründlichen Studium. Weniger kam das
„Temperament" zur Geltung, aber das Studium
war äusserst gewissenhaft. Durch diese starke
Erziehung, die er in der durchaus akademischen
Schule eines sehr massig begabten und gar nicht
temperamentvollen Malers wie Gleyre empfing,
wurde Whistler in den Stand gesetzt, ohne Gefahr
in der Folge sich allen Phantasien zu überlassen,
die seine Originalität ihm eingab.

Im Porträt, in diesem Grundteile der Malerei
und auch seiner Malerei, zog ihn der moralische
Inhalt der Persönlichkeit an, der sich im Blick
und der Geste äusserte. Er drängte hartnäckig
als störend in den Schatten, was für viele Maler

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