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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 1.1902-1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.3547#0496

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diese Kacheln sind zu schwerfällig und ihreKoloristik
und Modellirung ist stumpf. Ebensowenig glück-
lich scheint die (technisch allerdings gelungene)
Perlmutterintarsierung in den Schlafzimmer-
möbeln desselben Ausstellers. Mehr ein Prunken
mit Material und Aufwand als symphonische Wir-
kung ist derEindruck,—Berlinischerjaponinmus; die
Schmetterlinge und Blütenzweige schwingen nicht
in Selbstverständlichkeit und leichter Grazie, wie auf
den guten Lackarbeiten Ostasiens. Und die Stickerei
auf knallig violettem Grunde, die unter einer Glas-
platte den Toilettentisch deckt, verletzt durch das
gewaltsam Putzsüchtige des Arrangements.

Die klare Erkenntnis dafür, was prunkvoll und
schmückend zugleich wirkt, vermisst man über-
all. Ein Esstisch wird auf breitem Fusssockel wuchtig
stabil aufgebaut; der Sockel dient gleichzeitig als
Fussbank. Das ist gut, praktisch für den Gebrauch
und durch die solide Fundamentierung aesthetisch
befriedigend für das Auge. Nun aber wird der
Sockel mit Leder bekleidet, und sofort ist die Be-
friedigung durch das Bedenken gestört, dass man
auf Leder nicht herumtreten kann. Die soviel
glücklichere Lösung dieser Aufgabe fällt dabei
ein, die man in den Wiener Cottages der „Hohen
Warte" von Hofmann und Koloman Moser (nach
meiner Auffassung den sichersten Komfortkünst-
lern) sieht. Da wird dieser Tischgrundstein mit
gehämmertem Metall, meistens mattgelbem Pack-
fong montiert, dessen kräftig geschlagene Fläche
sich vor Tritten nicht zu scheuen braucht.

Harmonische Stimmung erreicht das Badezimmer
der „Neuen Gruppe." Verschiedenfarbiger Mar-
mor kleidet die Wände; über dem eingelassenen
Becken zieht sich ein Relief, von Nischen mit hän-
genden Blumenranken flankiert; eine farbige Ober-
lichtkuppel wölbt sich, Opalschalen hängen herab,
ein römisches Sopha und eine Sella mit vergolde-
ten Füssen stehen im Raum. Eine in sich gelungene
Stimmungsvariation. Nur lässt sich über die Auf-
fassung des Raumes streiten. Der moderne
Mensch wünscht sich das Badezimmer doch
weniger als d'Annunzio-Phantasie oder Stefan
Georgeschen Hymnus sondern als eine Einrich-
tung raffinierter Zweckmässigkeit mitDouchekom-
plikationen,Toilettechikanen; weniger antikisierend
mit der Elegiemanier des Reliefs als englisch
mit Kacheln, verniertem Messing, Korbfauteuil,
Matten.

Gesunde Einfachheitstendenzen kann man bei
den jungen Steglitzer Werkstätten anerkennen.
Freilich sind ihre Formen nicht sehr persönlich und
es fehlt, was gerade in einfachen Kombinationen
so sehr besticht, die liebevoll überlegte Ausbil-
dung aller Kleinnuancen, die sorgsame Abstimmung
aller Teile und Faktoren. So fällt rechtunangenehm
der hässlich gelbe Ton der Krone auf, der falschen
Goldbronze-Ehrgeiz kompromittierend verrät.

Das schlimmste Gegenbeispiel dieser Revue
ist aber der Empfangsraum von Arthur Biberfeld,
der im Berliner Kunstgewerbe durchaus die Rolle
des Verblüffers um jeden Preis spielen will. Er
hat es auch diesmal wieder erreicht. Er tritt auf
den Plan mit silberlackierten Möbeln, die in ihrem
StanioltonPapieratrappen gleichen. Silbergepappte
Putten turnen an den Schränken und eine Sphinx,
die einer Hoppenworthschen Cotillontour ent-
sprungen zu sein scheint, trägt die Tischplatte.

Von den Wandecken hängen aus eisernen Rachen
mächtige Kerkerketten als festliche Guirlanden
über das Zimmer und in ihren plumpen Anker-
gliedern blühen als Früchte eines anmutigen Pro-
portionsgefühls kleine Glühbirnen.

In dieser dekorativen Schreckenskammer be-
wundert man mit andächtigem Schauer die Ziel-
bewusstheit, mit der ein Mensch daneben denkt.

Felix Poppenberg.

DRESDEN

Eine Schenkung des Herrn Ed. Cichorius bildet
eine sehr willkommene Bereicherung für unsere
Gemälde-Galerie. Es handelt sich um drei Land-
schaften des bisher noch nicht vertretenen,
„Historienmalers" Joseph Anton Koch und zwei
Gemälde von Ludwig Richter; allerdings ist das
Interesse das sie erwecken bedeutend mehr ein
kulturgeschichtliches als wie ein künstlerisches.
Es sind Bilder aus der Zeit, als man Blätter und
Gräser, nicht aber Landschaften malte.

Als kulturgeschichtliches Dokument ist die grosse
„Deutsche Ideallandschaft" Kochs, in der ein be-
schränkter Christenstolz noch die Oberhand über
ein mächtiges Ahnen behält, gar nicht zu über-
schätzen. Als künstlerische That, hat man genug
von ihr gesagt, wenn man ihr Glück dazu wünscht,
dass sie im Land der „wildromantischen" sächsischen
Schweiz ihre endliche Heimathsstätte fand. Auch
die Landschaft mit der Episode aus der Legende des
heiligen Benedikt spricht nicht von künstlerischer
Empfindung wie wirsieheuteverstehen. EinHauch
dieser weht uns nur aus den grosszügigen Linien
und den sehnsuchtsvoll getönten Bergen der Land-
schaff mit dem hl. Martin entgegen. Nur aus die-
sem Werke erfahren wir, dass der Maler auch zu
Zeiten etwas Tiefres empfand als er in Worten aus-
drücken konnte. Es ist eine Vorahnung von dem,
was bald darauf Rottmann so wundervoll erstehen
Hess: — ich wage diese Äusserung trotzdem ich
weiss das Rottmann heute ganz und gar nicht mehr
„aktuell" ist.

Die beiden Richterbilder sind die 1827/8 für
Herrn von Quandt gemalten „Ciritella" und„Aric-
cia". Nach Ablauf von dreiviertel Jahrhundert

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