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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Jessen, Peter: Vom Kunstgewerbe zur Kunst: der Aufstieg einer Bibliothek
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gesichert. Vor allem galt es, die Führer der deut-
schen Kunst, die berufenen Wegweiser auch zum
Dekorativen, dem Kunstgewerbe nahe zu bringen.
Es ward eine Sammlung angewandter und an-
regender Graphik begründet, vom Beginn des neun-
zehnten Jahrhunderts bis auf unsere Tage, aus
Deutschland und dem Auslande, von Menzel und
Ludwig Richter bis zu den jeweils Jüngsten, zum
guten Teil durch Gaben der Künstler selbst; wie
eine wehmütige Anerkennung solcher Absichten
bat auch der Nachlaß der so früh vollendeten
Meister Otto Eckmann und Joseph Olbrich hier
eine Stätte gefunden.

Das neue Wollen hat vor allem in der Buch-
kunst Ausdruck gewonnen. Es lag der Bibliothek
nahe, gerade hier sammelnd und persönlich för-
dernd einzugreifen. Es entstand eine ergiebige
Sammlung alter und heutiger Druckproben. Aus
der Fülle gepflegter Bücher der Gegenwart konnte
wenigstens eine ansehnliche Auswahl des Besten
vereinigt werden. Vor allem griff mit Hilfe der
Fachleute der Staat zu, als im Jahre 1904 durch
den frühen Tod des Architekten Hans Grisebach
dessen meisterlich gewählte Bibliothek alter Drucke
frei wurde, zweitausend vornehmste Vorbilder vom
Mittelalter bis in das achtzehnte Jahrhundert. Von
da ab sahen die buchgewerblichen Kreise Berlins
hier die Beratungsstelle für alle Probleme der Form;
ein großer Bestand an Buntpapieren, eine Lehr-
sammlung über die Verfahren des Bilddrucks, eine
Auswahl künstlerischer Photographien aus Deutsch-
land und dem Ausland sind ergänzend hinzuge-
treten.

Je weiter auf solchen Wegen die Bibliothek ihre
Kreise zog, um so mutiger durfte sie mit Hilfe
opferwilliger Freunde sich an neue Sammelgebiete
wagen, für die ihre eigenen Mittel nicht ausge-
reicht hätten. So ist eine der meistbegehrten
Gruppen entstanden, ein Höhepunkt angewandter
Graphik, die Auswahl japanischer Farbenholzschnitte,
an Umfang freilich nicht vergleichbar den beneidens-
werten Schätzen der amerikanischen Museen, an
Qualität aber nach verläßlichem Urteil dem sonsti-
gen öffentlichen Besitze in Europa nicht uneben-
bürtig. Hier haben der Krieg und seine Folgen
ein schmerzliches Halt geboten.

Besitz verpflichtet. Das hat die Bibliothek dop-
pelt beherzigt, seit ihr dank der großzügigen Stiftung
des Freiherrn von Lipperheide dessen einzigartige

Kostümbibliothek angegliedert worden ist, zwölf-
tausend Bände und dreißigtausend Einzelblätter
über Trachten und Moden. Ihr wurde in dem
geräumigen Flügel des Erweiterungsbaues, den die
Bibliothek seit bald zwanzig Jahren einnimmt und
weiter einnehmen wird, der stattlichste Saal ein-
geräumt, geschmückt mit vierhundert alten Bild-
nissen, der stimmungsvollste Bibliotheksraum Ber-
lins. Sie steht in erfreulichem Wechselverkehr
mit der tätigen Modenindustrie und hat der Kunst-
pflege ein lange vernachlässigtes, aussichtsreiches
Arbeitsgebiet erschlossen.

So hat sich planvoll der Ring der graphischen
Sachgebiete gerundet. Noch fehlte eine Abteilung
für Wappenkunst und Wappenkunde. Es gelang,
einem der reichsten Bestände dieses oft begehrten
Formen- und Wissenszweiges, der rühmlich be-
kannten Bibliothek des Vereins Herold, Unterkunft
im Bibliotheksgebäude zu schaffen und sie zu er-
sprießlichem Arbeitsaustausch heranzuziehen, der
sich noch inniger wird gestalten lassen.

Nun stand die Bibliothek vor einem entschei-
denden Entschluß. Schritt für Schritt hatte sie,
fast ohne es zu wollen, sich ausgeweitet zu dem,
wonach die Zeit drängte, zu einer Pflegestätte der
gesamten Kunstliteratur, soweit sie für die künst-
lerische Bildung und die Kunstförderung vonnöten
ist. Der Organismus, in dem sie sich entfaltet
hatte, löste sich auf; die Sammlung des Kunst-
gewerbe-Museums ward zum Schloßmuseum um-
gestaltet, die Unterrichtsanstalt der Hochschule für
die bildenden Künste verbunden. Jetzt war es ge-
boten, den erweiterten Zielen auch den Namen
anzupassen.

Die „Staatliche Kunstbibliothek" wird den Zu-
satz führen: „vormals Bibliothek des Kunstgewerbe-
Museums". Mit Recht, denn sie wird nach wie
vor das Kunstgewerbe nicht nur fördernd, sondern
auch wissenschaftlich vollständig zu pflegen haben.
Auf den übrigen Gebieten der Kunstwissenschaft
wird sie den Forscher bei Einzelstudien auch an
andere Stellen verweisen müssen; sie hofft, ihm
dies mit der Zeit durch einen Gesamtnachweis des
in Berlin Zugänglichen zu erleichtern. Sie ver-
bleibt im Rahmen der Staatlichen Kunstmuseen;
das ist ihr eine Gewähr für die künftigen Wege
und Ziele.

Vor allem wird sie sich den weiten Ausblick wah-
ren. Es ist früh ihr Stolz gewesen, neben allem Deut-

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